Grundzüge einer biblischen Ethik

Leider gibt es die biblische Ethik nicht. Es gibt zwar immer wieder Stellen, allen voran die 10 Gebote und die Bergpredigt, an denen mehrere ethische Normen gesammelt sind, insgesamt aber fehlt in der Bibel eine Systematik, so dass ethische Themen nie geschlossen, zusammenhängend aufgearbeitet werden. Der Leser der Bibel ist dazu gezwungen, aus Erzählungen (etwa dem Schöpfungsbericht) ethische Richtlinien abzuleiten, andere wiederum muss er sich aus prophetischen Texten und Briefen der Apostel zusammensuchen. Gut ist es, wenn hierbei auf Vollständigkeit geachtet wird. Viel häufiger aber, werden einzelne Stellen gesucht und gefunden, aus dem Kontext isoliert und dann in die gewünschte Richtung interpretiert. Auf diese Weise findet jeder in der Bibel das, was er sich erhofft. Der Kriegsbefürworter die Botschaft “schmiedet Pflugscharen zu Schwertern um” und der Friedensaktivist “schmiedet Schwerter in Pfugscharen um”.

Dabei widerspricht sich die Bibel – auch wenn diese beiden Textstellen anderes nahe legen – nicht. Sie hat eine klare Position nur – und auch diese Botschaft muss hier unbedingt eingeschoben werden – diese Position wird seit Jahrhunderten gezielt verdrängt, hinweginterpretiert, ja sogar verfolgt (siehe dazu etwa das Schicksal der Katharer oder die Anfänge der Befreiungstheologie). Das geschieht mit gutem Grund, denn wer die Bibel liest, dem wird schnell bewusst, dass sie nahezu allen zentralen Prinzipien unserer Gesellschaft widerspricht:

Der Verehrung des Schönen, wie sie in Modezeitschriften… zelebriert wird

Dem Muster besser, schneller, höher, weiter…,

Der Bewertung und Beurteilung des Menschen nach seiner Leistung…

Dem Prinzip des Wohlstands, der Idee also, dass der der etwas leistet, es sich auch verdient hat, Luxus zu genießen

Dem Prinzip des Ellbogens – setz Dich durch…

Das Recht der Geburt, das z.B. Akademiker ganz selbstverständlich annehmen lässt, dass ihr Kind etwas besseres verdient hat als…

Dem Prinzip des Geldes und der Macht – ganz getreu dem Motto: “Wer das Geld hat, hat das Sagen”

a poor and a rich compete in giving alms

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Dem setzt die Bibel in ihren Erzählungen, in der prophetischen Kritik der adeligen und zugleich kapitalistischen Gesellschaft, in Jesu Botschaft vom Reich Gottes … eine Vision von einer Welt entgegen,

in der Gerechtigkeit herrscht,

in der alle gleich sind,

in der es keine Armen mehr gibt, weil die Reichen so weit geteilt haben, dass Armut (und Reichtum) nicht mehr existiert,

in der es keine Mächtigen und keine Untertanen mehr gibt und

in der am Ende Schalom herrscht – ein umfassender Friede, ein Friede, den der Einzelne mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen, mit der Natur und mit Gott hat.

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Damit wäre (fast) alles zur biblischen Ethik gesagt, eines aber darf nicht fehlen:

Diese Welt zu schaffen, das ist die Aufgabe des Volkes Gottes, der Jünger Jesu – das ist es, was Jesus meint, wenn er davon spricht, dass seine Jünger das Reich Gottes bauen sollen. Ganz entgegen der Tradition, die das immer wieder sehr gerne anders verstanden hat, sei hier nochmals betont: Gott will keine Gottesdienste von seinem Volk, er will nicht, dass sie täglich Bibel lesen und beten – er will, dass sie täglich, ständig aktiv für das Reich Gottes kämpfen, also engagiert gegen Hunger, Unrecht.,. eintreten. Der, der das tut ist der wahre Christ…

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