Die Kirche und der Krieg – Teil I

Samuel kam zu Saul und sagte: „Der Herr gab mir damals den Auftrag, dich zum König über sein Volk Israel zu salben. Darum höre jetzt seinen Befehl: So spricht der Herr, der Herrscher der Welt: „Ich will jetzt den Amalekitern vergelten, was sie Israel angetan haben. Sie versperrten ihm den Weg, als es aus Ägypten kam. Darum zieh gegen sie ins Feld und vernichte sie! Alles, was zu ihnen gehört, steht unter dem Bann. Darum töte ohne Erbarmen Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder, Schafe, Kamele und Esel.““

(1. Samuel 15,1-3)

Man mag es ja kaum glauben, man würde es am liebsten verschweigen, beschriebe diese Geschichte nicht auch noch einen Schlüsselmoment im Leben Sauls, des ersten Königs Israels, aber:
Gott ordnet hier einen Genozid an!
Erbarmungslos, rücksichtslos (was können die Säuglinge! für die Taten ihrer Väter?), dogmatisch und so umfassend, dass selbst die Haus- und Nutztiere der Amalekiter der Vernichtung anheim gegeben werden. Nichts soll verschont werden und wie ernst dies gemeint ist, zeigt sich in der Fortsetzung der Geschichte: Saul hält sich nicht an diesen Befehl. Aus zugegebenermaßen ethisch nicht besonders reinen Motiven heraus, beschließt er, den König am Leben zu lassen und die Haus- und Nutztiere der Amalekiter als Beute an seine Soldaten zu verteilen. Eine Entscheidung, die ihm letztlich den Thron kostet. Gott wendet sich von ihm ab, weil er den Vernichtungsbefehl nicht mit letzter Konsequenz umsetzt.
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Diese Geschichte ist in ihrer Art zwar extrem, aber sie ist im Alten Testament nicht singulär. Immer wieder erzählt es vom glühenden Zorn Gottes, der aufflammt, sei es gegen Völker, die das Volk Gottes bedrohen, sei es gegen Anhänger fremder Götter im heiligen Land, sei es gegen das Volk Gottes als Ganzes. So kann nicht nur der König Israels den Auftrag erhalten, den Zorn Gottes an Menschen, Völkern zu vollstrecken, Gott bedient sich auch fremder Könige, etwa des babylonischen Königs Nebukadnezar, um sein eigenes Volk zu strafen. Gott, so lernen wir, ist im Alten Testament ein strafender, ein richtender und ein zorniger Gott, der mit den Mitteln der Natur (siehe die Sintflut, aber auch durch Erdbeben, siehe Amos 1,1) und durch Menschen, jene straft, die sich gegen ihn stellen, die seinen Willen nicht erfüllen.
Es wäre nun allerdings eine Täuschung zu denken, dass diese Phase, dieses Gottesbild auf das Alte Testament beschränkt sei. Es ist im Gegenteil tief in der Geschichte des Christentums verwurzelt. Ganz in Anlehnung an bestimmte Textstellen in der Offenbarung des Johannes dachten die Menschen im Mittelalter immer wieder, dass Gott die Schalen seines Zorns über sie ausgegossen habe und sie nun mit Hunger oder Seuchen strafe. Und nicht nur sie: Als 1981 Aids als eigene Krankheit wahrgenommen wurde, die schnell die Züge einer Epidemie annahm, sahen viele darin nichts anderes als die Strafe Gottes für ein widergöttliches Verhalten – sprich es gab keinen Grund für Mitleid oder ernsthaft engagierte Hilfe… (siehe dazu http://www.aerzteblatt.de/archiv/43800/Aids-Politik-in-den-USA-Der-Zorn-Gottes)
Immer wieder glaubten Christen dann auch, wie einst Saul, den Auftrag bekommen zu haben, den Zorn Gottes zu vollstrecken. Gruppierungen wie die Katharer, die Waldensern oder die Hussiten wurden von der Kirche nicht nur bekämpft, man versuchte sie absolut zu vernichten, bis hin zur Verbrennung ihrer Körper…
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Aber, hätte eine christliche Kirche, deren oberste Norm ja nicht das Alte Testament, sondern Jesus ist, nicht anders denken und handeln müssen? Diese Frage stellt sich, aber sie ist ehrlicherweise mit Nein zu beantworten. Es gab keinen zwingenden Grund mit dem Alten Testament zu brechen. Immerhin hatte Jesus das Alte Testament nicht an sich außer Kraft gesetzt, immerhin finden sich im Reden und Tun Jesu immer wieder Momente, in denen auch er vom strafenden Gericht Gottes spricht, in denen er vom heiligen Zorn übermannt wird, etwa als er den Tempel reinigt…
Jesus ging in den Tempel und trieb alle Händler und Käufer hinaus. Er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenverkäufer um. Dazu sagte er ihnen: „In den Heiligen Schriften steht, dass Gott erklärt hat: „Mein Tempel soll eine Stätte sein, an der die Menschen zu mir beten können!“ Ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus!“
(Matthäus 21,12ff)
Angesichts dieser starken, ungebrochenen Traditionslinie ist es schließlich auch kein Wunder, dass in fast allen Predigten über 1. Samuel 15 (die meisten im Internet zu lesenden Predigten stammen von evangelisch-evangelikalen Pfarrern) die Tatsache, dass Gott einen Genozid angeordnet hat, als selbstverständlich und unproblematisch hingenommen wird. Das Thema dieser Predigten ist im Normfall ein anderes: Der Ungehorsam Sauls gegenüber Gottes Befehl.

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