Staat und Kirche – zwischen den Zeiten II

Für eine große Mehrheit der Kirchenvertreter, sei es für Amtsträger, sei es für Laien, insbesondere für Konservative und Fromme, war die Weimarer Republik letztlich eine Missgeburt: Hervorgegangen aus einer Revolution, die das alte vertraute, verlässliche System und Gegenüber hinweggefegt hatte. In ihren Anfängen begleitet von Hyperinflation, hoher Arbeitslosigkeit, Umsturzversuchen, politischen Morden, Rachitis-Epedimien, Streiks und deren gewaltsame Niederschlagung. Ihr Ende eingeläutet durch die Weltwirtschaftskrise 1929, der wiederum politische Unruhen, Straßenschlachten… folgten. Nie war man sich in dieser ganzen Zeit sicher, welche Partei sich wie lange an der Macht halten würde. Immer bestand die Gefahr, dass Parteien, wie die KPD in die Regierungsverantwortung kommen könnten, die die Kirche enteignen und aus dem öffentlichen Leben verdrängen wollten.

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Und ach, wenn es nur die politische Situation gewesen wäre! Genauso heftig litten die Kirchenvertreter aber unter dem Verfall von Moral und Sitten, der nach dem ersten Weltkrieg eingesetzt hatte. Die goldenen zwanziger Jahre – ein Phänomen das wesentlich auf die deutschen Großstädte beschränkt blieb – waren aus der Sicht der Konservativen und Frommen beileibe nicht golden:

Frauen emanzipierten sich, maßen sich an, Hosen zu tragen, wie Männer in der Öffentlichkeit zu rauchen, schnitten sich die langen Haare und Zöpfe ab, trugen stattdessen Pagenkopf und verdienten ihr eigenes Geld. Nackte Haut, Sexualität war plötzlich kein Tabu mehr, Otto Dix malte Prostituierte und seine Werke galten als Kunst, es gab die Zeitschrift “Die Fremde”, eine Zeitschrift für Lesben… die Röcke der Frauen wurden kürzer… Anita Berber tanzte nackt auf der Bühne, konsumierte Drogen und exzessiv Alkohol, heiratete mehrmals, hatte mehrere Affären, starb nach wüstem Leben mit 29 – sie war ein Einzelfall zweifellos, aber dafür in der Presse sehr präsent.

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(Marlene Dietrich – der blaue Engel)

Ungelöst waren auch die massiven sozialen Probleme in der Republik, man denke hier nur an die unzähligen Kriegsheimkehrer, traumatisiert, invalid und in vielen Fällen, ohne Arbeit und ohne Chance auf eine echte Reintegration in die Gesellschaft…

Viele Konservative und Fromme, evangelische und katholische, kirchliche Amtsträger und Laien, träumten aus diesen und anderen Gründen von der guten alten Zeit der Monarchie, sie sehnten sich nach einer starken Hand, die Stabilität, Sicherheit und Ruhe versprach.

 

 

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