Die evangelische Kirche und das Dritte Reich I

Wie sollte man sich als Kirche Adolf Hitler gegenüber verhalten, diesem österreichischen Gefreiten, der mitsamt seiner wilden Partei nach der Macht griff? Distanz schien angebracht, zumindest, immerhin war der Führer, war die NSDAP nie als kirchenfreundliche Partei aufgefallen. Im Gegenteil, in der Partei und in den Organen der Partei,  in Zeitschriften wie “Der Stürmer”, “Das Schwarze Korps” oder “Der SA-Mann” wurde fleißig gegen beide Kirchen gehetzt.

Wie sollte man sich dem neuen Reichskanzler gegenüber verhalten, der rasch zur Tat schritt und die Republik in einen totalitären Staat umformte?

Zeit zur Reflexion blieb der evangelischen Kirche 1933 kaum. Sie wurde nicht nur von den schnellen politischen Entwicklungen überrascht, sondern auch von zwei Seiten in die “Zange” genommen:

  1. Aus den eigenen Reihen erhob sich die Bewegung der Deutschen Christen. Sie nährte sich von der Begeisterung der Menschen für den Führer. Sie stilisierte ihn zum Heiland, zum zweiten Messias, der gekommen war, um Deutschland zu retten. Die Bewegung wurde schnell so stark, dass sie die Kirchenvorstandswahlen in Preußen 1933 gewann. Damit war, in einem Handstreich, die größte evangelische Landeskirche in Deutschland gleichgeschaltet, freiwillig! Ohne dass Hitler, ohne dass die NSDAP irgendetwas hätte unternehmen müssen, gliederten die mehrheitlich von Deutschen Christen besetzten Kirchenvorstände zum Beispiel die kirchlichen Jugendgruppen in die Hitlerjugend ein…
    Kirchenwahl.- Propaganda der "Deutschen Christen" in Berlin                                           Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1985-0109-502Noch einen weiteren, zumindest propagantistischen Erfolg errang die Bewegung der Deutschen Christen: L. Müller, ein einfacher Pfarrer und glühender Anhänger Hitlers, setzte sich durch, als es um die Besetzung des neu geschaffenen Amtes des Reichsbischofs ging. Er wurde damit der erste oberste Vertreter der neu geschaffenenen Deutschen Evangelischen Kirche (einer Vereinigung aus den 30 Landeskirchen, die es in Deutschland zu dieser Zeit gab).
  2. Während die evangelische Kirche so mit sich selbst und mit ihrer eigenen Organisation beschäftigt war, machte die katholische Kirche Nägel mit Köpfen: In einer Zeit, in der die Reichsregierung bereits Gesetze erließ, wie jenes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (14.7.1933), das die zwangsweise Sterilisation von Alkoholikern, Blinden… ermöglichte, schloß sie ein Konkordat mit dem Dritten Reich (20.7.1933). Der Vatikan, immerhin die höchste moralische Autorität für die Katholiken in aller Welt, zeigte damit, dass er bereit war Hitler als deutschen Reichskanzler anzuerkennen und dass man ihm vertrauen – sprich mit ihm Verträge schließen könne.
    Konkordatsunterzeichnung in Rom
    (Unterzeichnung des Konkordats in Rom)Inhalte dieses Vertrages waren unter anderem:
    Das Deutsche Reich sicherte der katholischen Kirche zu, dass die katholische Kirche weiterhin unbehindert ihre eigentliche Arbeit machen dürfe (zuvor hatte es durchaus Verhaftungen katholischer Pfarrer gegeben und Zwangsmaßnahmen gegen katholische Vereine).
    Die katholische Kirche ihrerseits garanierte, dass sie sich nicht mehr in die Politik einmischen werde.
    Für Hitler war dieser Vertrag ein großer Erfolg. Er wusste, dass dieser Vertrag den Menschen in seiner tief katholisch geprägten Heimat zeigen würde, dass er und seine Partei vertrauenswürdig waren. Er sicherte damit seine Macht, denn letztendlich hatte der Vatikan damit die deutschen Katholiken zur Anerkennung seiner Regierung motiviert und die eigenen politischen Organe, wie z.B. die Zentrumspartei oder die katholischen Gewerkschaften zum Schweigen verpflichtet.

Den wachen Geistern in der evangelischen Kirche machten diese beiden Entwicklungen deutlich, wie gefährlich die Lage war. Die katholische Kirche hatte sich ihre Eigenständigkeit, das Fortbestehen ihrer zentralen Struturen durch einen Vertrag zusichern lassen. Man selbst aber stand in der Gefahr das Eigenleben und die eigene Ordnung zu verlieren – dafür sorgten die Deutschen Christen unterstützt durch die NSDAP. Diese Bedrohung nahmen aber nur wenige war, die Mehrheit, gerade auch der einfachen Christen schwamm auf einer Welle der Begeisterung…

 

 

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