Die evangelische Kirche und das Dritte Reich II

Der Siegeszug der Deutschen Christen schien unaufhaltsam, denn sie sprachen der großen Mehrheit der Evangelischen, die nationalkonservativ eingestellt war, aus dem Herzen. Immer wieder konnte man daher das Gleiche beobachten, ob in Gottesdiensten oder auf Synoden: Parteiuniformen, Hakenkreuzfahnen vor und in den Kirchen, Dankesbotschaften an den Führer und die Partei, Predigten, in denen die Begriffe Gott, Volk und Rasse eine große Rolle spielten, Luther war der deutsche Luther, Luthers Lied “Ein feste Burg” bekam einen bestimmten Unterton, man sang das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied und jene, die sich gegen diese Tendenzen wandten, wurden niedergeschrien, ausgelacht…

Berlin, LuthertagBundesarchiv Bild 102-15234, Berlin, Feier des Luthertags

So ging es, bis jener Moment kam, an dem die Deutschen Christen den Bogen überspannten: Sie versuchten, den im staatlichen Bereich bereits gültigen Arierparagraphen auch in der Kirche einzuführen. Betroffen hätte diese Regelung nur eine verschwindend geringe Anzahl von Pfarrern und kirchlichen Angestellten – etwa 50 -, aber viele Theologen erkannten in diesem Moment: Dass es den Deutschen Christen um viel mehr ging, nämlich um die Umformung des christlichen Glaubens in einen letztlich arischen Glauben…

Damit war der status confessionis für einen Teil der Pfarrer erreicht. Unter Führung des ehemaligen U-Boot Kommandanten, Weltkriegsveteranen und Pfarrers Martin Niemöller entstand der sog. Pfarrernotbund, dem sich bis 1934 etwa ein Drittel der  evangelischen Pfarrer anschlossen. Ziel des Bundes war es, die Einführung des Arierparagraphens zu verhindern. Klar und deutlich wurde zugleich die Anwendung der NS-Ideologie im Raum der Kirche abgelehnt.

450px-Martin_Niemöller_(1952)Martin Niemöller

Ob der Widerstand der deutschen Pfarrer ausgereicht hätte, die Einführung des Arierparagraphen in der Kirche zu verhindern? Wer weiß. Sicher ist, dass vor allem die englische und die schwedische Kirche sehr hart auf die angekündigte Einführung des Arierparagrahen reagierten. So hart und deutlich, dass dies auch im deutschen Außenministerium registriert und ernst genommen wurde und man Reichsbischof Müller dringend nahelegte, auf die Einführung vorerst zu verzichten.

Für die Deutschen Christen begann mit dieser Niederlage der Niedergang. Immer mehr Pfarrer und bald auch Gemeindeglieder gingen in Distanz zu ihnen. Ihr endgültiges Ende aber, läuteten sie selbst ein: Am 13.11.1933 im Berliner Sportpalast trug der “Gau-Obmann” der Deutschen Christen Studienassessor R. Krause vor 20000 begeisterten Anhängern die Grundsätze der Deutschen Christen vor: Er forderte die Abschaffung des Alten Testamentes mit seinen Viehhändler und Zuhältergeschichten. Er konstruierte eine wilde Geschichte, in der der Jude Paulus die eigentlich arische das Herrenmenschen-Ideal vertretende Lehre Jesu mit Arglist in eine Lehre verkehrt, die dazu diene, den Menschen zu sagen, dass sie Sünder, dass sie minderwertig seien. Für diese Gedanken wurde er von den Anwesenden frenetisch gefeiert. Das Problem: Seine Rede wurde im Rundfunk übertragen. Millionen Deutsche hörten ihm zu und erkannten (erst jetzt richtig) welche abstrusen Lehren die Deutschen Christen vertraten…

Formal allerdings blieb vorerst alles beim Alten: L. Müller repräsentierte unterstützt durch zahlreiche Anhänger in zentralen Funktionen die evangelische Kirche Deutschlands. Er ließ nicht locker, arbeitete weiter an der organisatorischen Gleichschaltung der evangelischen Kirche mit dem Staat. Als der Widerstand gegen ihn immer größer wurde, versuchte er gar eine Art Reichskirchendiktatur zu errichten. Mit einem Maulkorberlass sollten innerkirchliche Kritiker mundtot gemacht werden und als dies nicht half, lud man die führender Vertreter der Kirchen und auch Vertreter des Pfarrernotbundes in die Reichskanzlei. Hitler selbst war zugegen als Göring ein abgehörtes Telefonat Niemöllers abspielte, das beweisen sollte, dass Niemöller politisch nicht loyal war. Das wollten sich die anwesenden Kirchenführer nicht nachsagen lassen und man erklärte brav, dass man selbst geschlossen hinter Reichsbischof Müller stehe…

Ein Link für Interessierte: http://de.evangelischer-widerstand.de/?#/zeiten/19331934

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