Die evangelische Kirche und das Dritte Reich III

Um hier keine Illusionen entstehen zu lassen: Der Widerstand der Pfarrer gegen die Versuche der Deutschen Christen den Arierparagraphen in der Kirche einzuführen, war kein Widerstand gegen Hitler, die NSDAP oder gegen den Staat! Es ging ausschließlich um die Abwehr der Deutschen Christen und ihrer  Versuche, die christliche Lehre grundlegend zu verändern. Dies gilt auch für die damit verbundene Abwehr antisemitischer Inhalte. Die Pfarrer wussten von der Einrichtung von Konzentrationslagern, von der Verfolgung von Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftlern und anderen Gruppen.

Hitler war unantastbar und – zumindest in diesem Punkt hatten die Deutschen Christen den Menschen aus der Seele gesprochen – galt als der Retter, der Deutschland wieder zu alter Stärke führen würde. Dem wollte niemand im Weg stehen und so ist es kein Wunder, dass die deutschen evangelischen Bischöfe (auch jene, die nicht zu den Deutschen Christen gehörten) genauso wie übrigens auch Niemöller, Hitler offen und freudig unterstützten, als er begann den Versailler Vertrag zu ignorieren und 1933 den Austritt aus dem Völkerbund erklärte.

Bundesarchiv_Bild_137-004055,_Eger,_Besuch_Adolf_Hitlers

Diese Beobachtungen verlangen natürlich nach einer Erklärung, denn so sehr es aus heutiger Sicht noch einigermaßen nachvollziehbar sein kann, dass die Menschen damals glaubten und hofften, Hitler werde Deutschlands Größe wieder herstellen, so sehr muss man zumindest von den führenden Köpfen der evangelischen Kirche mehr und bessere (?) Argumente erwarten. Geliefert hat diese Begründungen sehr prominent eine eher kleine evangelisch-theologische Fakultät: Erlangen. Dort hatten jene Theologen, die sich vom fachlichen Schwerpunkt her mit dem Neuen Testament beschäftigten, ebenfalls eine kritische Stellungnahme zu den Botschaften der Deutschen Christen verfasst. Aber, ihre Stellungnahme wurde von der Mehrzahl der dort Lehrenden nicht unterschrieben, denn sie sahen keinen Grund sich gegen eine Bewegung zu stellen, die der Führer unterstützte und die den Führer unterstützte.

Die Rechtfertigung für diese Haltung, die übrigens, dies muss hier gesagt werden, in Erlangen auch nach dem zweiten Weltkrieg, nach der definitiven Offenlegung der vom NS-Regime begangenen Gräueltaten aufrecht erhalten wurde, war die Lehre von Schöpfungsordnungen. Diese Lehre, die sich auch in der katholischen Theologie großer Beliebtheit erfreute und erfreut, geht davon aus, dass Gott, als er die Welt schuf, Ordnungsmuster anlegte, die sich in der Geschichte der Menschheit und in der Natur wiederfinden. Unter anderem sind das

  • Gott gab der Frau die Rolle der Mutter, der Hausfrau und dem Mann die Rolle des Ernähers, Beschützers…
  • Gott ordnete die Menschheit in Völker mit einem König an der Spitze (so wie es auch bei Ameisen oder Bienen der Fall ist).

Damit ist eigentlich alles gesagt, denn was hier keine Erwähnung findet, ist aus der Sicht der Anhänger dieser Lehre nicht mit Gottes Schöpfungsordnungen und damit mit Gottes Willen vereinbar. Dies gilt insbesondere für die Idee,

  • dass die Frau Rollen übernehmen könnte, die den Männern zugeordnet sind;
  • der Völkerverständigung, des Zusammenwachsens von Völkern zu einer Einheit (als biblisches Vorbild sei hier an die Geschichte vom Turmbau zu Babel erinnert! Zugleich sei auch darauf verwiesen, dass im Kontext dieser Lehre der Krieg als natürliche, unter bestimmten Bedingungen mit dem Willen Gottes vereinbare Form der Auseinandersetzung zwischen Völkern erscheint)Proletarier_aller_Länder,_vereinigt_euch
  • dass Revolutionen und Demokratie legitime Ausdrucksformen politischen Handelns sein könnten.

Diese Lehre war und ist einfach, klar, leicht zu vermitteln. Sie trifft zugleich stark die Stimmung in der Bevölkerung. Für die Erlanger Theologen und die große Mehrheit der evangelischen Christen stand somit fest, dass ein nach dem Führerprinzip geführter Staat (man beachte hier auch das Frauenbild im Dritten Reich) der  gottgewollten Ordnung deutlich näher kommt, als die Weimarer Republik. Der NS-Staat entsprach somit im positivem Sinne Römer 13,1. Es gab keinen Grund an diesem Staat Kritik zu üben oder gar gegen diesen Staat Widerstand zu leisten…

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