Die evangelische Kirche und das Dritte Reich IV – Barmen

Die Deutschen Christen prägten ab 1933 das öffentliche Erscheinungsbild der evangelischen Kirche. Ihre Stimme, ihre Interpretation des Christentums wurde im Rundfunk, in Festakten mit kirchlicher Beteiligung und in vielen Gottesdiensten laut. Aber man durfte ihnen das Feld nicht überlassen! Eine Mehrheit jener Pfarrer, die sich im Pfarrernotbund zusammengefunden hatten, um gegen die durch die Deutschen Christen geplante Einführung des Arierparagraphen in der Kirche zu protestieren, dachte so. Es war Zeit für ein öffentliches, gegen die Lehre der Deutschen Christen, aber auch gegen die Theologie der Schöpfungsordnungen gerichtetes Bekenntnis.

800px-Confessing_Church.Document.Bekenntnisgemeinde.Mitgliedsdoku

Unter Federführung von K. Barth, Th. Breit und H. Asmussen, traf man sich daher vom 29.5. bis zum 31.5.1934 in Barmen und formulierte dort die “Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK)”, die dann als Barmer Erklärung bekannt wurde. Sie richtete sich, dies sei hier nochmals betont,  gegen die Deutschen Christen und nicht gegen den Führer und den NS-Staat. Sie führte zur Entstehung der Bekennenden Kirche, die sich in Abgrenzung zu der von den Deutschen Christen dominierten DEK, als die eigentliche wahre Vertretung der evangelischen Christen verstand.

Dreh- und Angelpunkt der Barmer Erklärung ist die von K. Barth vertretene Idee der Königsherrschaft Christi. In Abgrenzung zu den “Lehren” der Deutschen Christen aber auch zum totalitären Staat wird deshalb in Barmen betont, dass es für Christen in allen (!) Bereichen des Lebens nur einen Herrn (Führer) geben kann: Jesus Christus. Das Wort Jesu  und keine andere Norm – egal ob das nun die aus der Bibel hergeleitete Theologie der Schöpfungsordnungen, eine Philosophie, eine naturwissenschaftlich mitbegründete Idee wie der Sozialdarwinismus oder eine Ideologie ist – ist verpflichtend für den Christen. Nur dieser einen Norm, dem Wort und Vorbild Jesu sollte der Christ konsequent folgen und dadurch, so präzisiert das Barth in “Theologische Existenz heute”, missionarisch wirken, indem er seinen Mitmenschen und dem Staat zeigt, was Gott eigentlich von uns will.

Mit diesen Gedanken setzen sich Barth und mit ihm die Bekennende Kirche deutlich von den Deutschen Christen und der Mehrheit der Lutheraner, die an Luthers Zwei-Regimenter-Lehre und der Theologie der Schöpfungsordnungen festhielten, ab. Dies wird besonders deutlich, wenn man nach konkreten Inhalten fragt: Nach dem rein christozentrischen Ansatz der Barmer Erklärung sind alle Menschen Brüder und Schwestern und vor Gott gleich, es gilt, die Feinde zu lieben, zu vergeben und Nächstenliebe zu üben. Nach dem lutherischen Ansatz, wie er etwa von den Erlanger Theologen vertreten wurde, ist dies jedoch nur eine Möglichkeit christlichen Seins. Genauso legitim, weil mit der Bibel (insbesondere dem Alten Testament) vereinbar, wäre es aber an die Schöpfungsordnungen, an die Vorstellung vom erwählten Volk und an Kriege zu glauben, die mit Gottes Willen vereinbar sind.

200px-Bundesarchiv_Bild_146-1987-074-16,_Dietrich_BonhoefferD. Bonhoeffer

Nicht bestritten wird in Barmen übrigens die grundsätzliche Eigenständigkeit und der Eigenwert des Staates, betont wird aber auch dessen Verantwortung vor Gott. Der Staat hat nach These 5 eine eigene, ihm von Gott gegebene Aufgabe, für die sogar der Einsatz von Gewalt legitim ist: Er soll für Recht und Frieden (!) sorgen. Luthers Zwei Regimenter Lehre wird also nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Auch Röm 13,1 wird in der Bewertung des Staates weiterhin der Vorzug vor Apk 13 gegeben. Gleichwohl formuliert man in Barmen neue Grenzen, indem man herausstellt, dass der Staat sich nicht anmaßen dürfe, sich zur einzigen totalen Ordnung des menschlichen Lebens zu erheben. Eine Grenze, die der NS-Staat regelmäßig und grundsätzlich verletzte – man denke hier nur an die Ideologisierung des Schulunterrichts, die Propaganda in den Medien… Auf diese Verletzungen reagierte jene, die sich zur bekennenden Kirche zählten, höchst unterschiedlich und auch der Auftrag zur missionarischen Existenz wurde unterschiedlich umgesetzt: Manche leisteten passiven Widerstand, einige wenige, wie Bonhoeffer beteiligten sich am aktiven Widerstand.

Siehe dazu auch: https://wordpress.com/post/glaubenssachen.wordpress.com/1295

 

Leave a comment