Der Existentialismus – der Mensch und der Tod II

Bei allen Lebewesen und geschaffenen Dingen geht die Essenz der Existenz voraus. Sprich: Bevor der Tonkrug entsteht, ist bereits ein Plan im Kopf der Töpfers. Er will ein bestimmtes Gefäß zu einem bestimmten Zweck machen und hat dazu ganz bestimmte Vorstellungen. Ähnlich ist es auch bei Tieren und Pflanzen: Auch sie haben ihren vorgegebenen Platz in der Natur, den zu erfüllen sie bestimmt sind. Ein Löwe kann nicht beschließen, dass er gerne ein Affe wäre.

Nur der Mensch fällt aus diesem Rahmen. Er ist das einzige Lebewesen, bei dem die Existenz der Essenz vorausgeht. Er kommt zur Welt ohne vorgegebene Bestimmung seines Wesens, seiner Aufgaben. In ihm ist nichts. Nichts, was ihn von innen heraus dazu treibt, irgendeine Rolle oder gar eine Sinnbestimmung anzustreben. Er hat sehr individuelle Talente sicher, aber es nicht so wie etwa bei einem männlichen Löwen, der gar nicht anders kann als die Rolle des Paschas in einer Herde anzustreben… Im Menschen ist Nicht und er kann und darf sich daher selbst seinen Sinn geben, seine Aufgaben und Wesensbestimmungen selbst suchen.

Das ist der Grundgedanke des Existentialismus, der freilich zugibt, dass dieser Gedanke ein Ideal beschreibt. In Wirklichkeit geht auch beim Menschen die Essenz der Existenz voraus. Er wird zum Beispiel in so manchen Fällen schon in der Absicht gezeugt, später den Betrieb der Eltern zu übernehmen, das Leben seiner Eltern mit Sinn zu erfüllen, später, wenn er älter ist, ist es sein ihm vorgegebener Sinn, sich zu bilden, ein vollwertiges und gutes Mitglied der Gemeinschaft zu sein, dabei kann er dann auch wählen, ob er etwa den Sinn seines Lebens darin sieht Lehrer zu werden oder Banker… Aber das sind Details, das Wesentliche ist vorgegeben, ein Zwangskorsett, das uns von Kindheit an angelegt ist und das wir deshalb oft als solches gar nicht wahrnehmen. In den Worten Sartres: Die Hölle, das sind die anderen, jene (konkrete Personen, aber auch das abstrakte “man”), die mir vorgeben, wie ich zu leben habe.

Which way?

So scheint es sehr wohl so zu sein, dass wir einerseits von der Gesellschaft eine Essenz, eine Wesensbestimmung und Lebensaufgabe aufgedrückt bekommen und andererseits an gewissen Stellen und innerhalb bestimmter Grenzen uns unseren Sinn selbst geben können. Doch dies zu glauben, so betonen die Existentialisten uni sono, ist eine einzige Täuschung. Sie verweisen hier unter anderem auf das im vorherigen Blogeintrag genannte Beispiel: Als Hunderttausende in den ersten Weltkrieg zogen, im Glauben einem höheren Sinn und Ziel zu folgen, fielen sie auf diese Täuschung herein, ihr Leben, ihr Tod, war sinnlos, absurd.

Aber auch im Kleinen kann man schnell die Erfahrung des Absurden machen. Man denke hier nur an einen jungen Mann, der sich ganz im Sinne der Gesellschaft für die Karriere aufopfert, der arbeitet bis zum Umfallen, immer mit dem Ziel, viel Geld zu verdienen, um dann eines Tages das Leben genießen zu können, der dann aber mit 35 erfährt, dass er Krebs hat und nicht mehr lange zu leben. Welchen Sinn hatte sein Leben bis dahin? Was kann er festhalten, was in seinem Leben hat die Qualität, dass er angesichts der Botschaft vom nahen Krebstod sagen kann: Dafür hat es sich gelohnt zu leben!

Der Einbruch des Absurden in unser Leben – in Form von einer Krankheit, mit der wir nicht gerechnet haben, einem Schicksalsschlag, einer Entscheidung von irgendwelchen Mächtigen – die Erfahrung, dass plötzlich alles zerbricht und infrage gestellt ist, was wichtig war, ist es die die Existentialisten sagen lässt, dass dieses Leben an sich sinnlos ist. Wir haben es, seinen Ablauf und die Faktoren die diesen Ablauf beeinflussen nicht wirklich im Griff. Zu glauben, man könne es planen, dass das Ende der Lebensstraße so aussieht, wie bei Peter Fox in “Haus am See” ist deshalb eine Illusion. Darauf zu setzen, dass es funktionieren werde, ist nichts anderes als Lotto zu spielen.

Extended Family Group Enjoying Outdoor Meal Together

 

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