Wann beginnt menschliches Leben? Teil I – die zygotische Position

Menschliches Leben beginnt mit der Karyogamie. Dies ist der Leitsatz der zygotischen Position, die vertreten wird durch die katholische Kirche und Teile der evangelischen Kirchen. Sie gehen davon aus, dass im Moment der erfolgreichen Befruchtung bzw. der Vereinigung der Vorkerne, Gott die Seele hinzufügt. Etwas anders argumentieren Hinduismus und Buddhismus: Für sie ist der Moment der Befruchtung der Moment der Reinkarnation.

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Die ethischen Konsequenzen, die sich aus dieser Art die zygotische Position zu vertreten, ergeben, liegen auf der Hand. In der christlichen Variante: Da die Seele ein zentrales, wenn nicht gar das entscheidende Element ist, das einen Menschen zum Menschen macht und zugleich die Seele eine Gabe Gottes ist, ist es nur naheliegend zu sagen, dass eine Abtreibung ebenso ethisch verwerflich ist, wie etwa die Forschung an Embryonen. In der hinduistisch-buddhistischen Variante: Da im Moment der erfolgreichen Verschmelzung die Reinkarnation stattfindet, ist es absolut verwerflich, diesem neuen Lebewesen, dass sich sein Dasein als Mensch aufgrund seines vergangenen Lebens verdient hat, die Chance zu nehmen seine Lebensaufgabe zu erfüllen. Auch hier sind somit Abtreibung und Forschung an Embryonen ein Vergehen gegen den Glauben.

Die zygotische Position hat aber nicht nur Anhänger in den genannten Religionen, sie wird auch von Denkern vertreten, die rein naturwissenschaftlich argumentieren. Jene verweisen darauf, dass sowohl die Eizelle der Frau, als auch die Samenzelle des Mannes, allein, für sich genommen, genetisch besehen nichts Neues und auch auf Dauer weder lebens- noch eigenständig entwicklungsfähig ist. Ganz im Unterschied zur Zygote, die selbst lebt und sich aus eigener Kraft weiter entwickelt. Sie ist zudem aus genetischer Sicht eine höchst individuelle, einzigartige Vermischung der Gene der Eltern.

Ja man muss, gerade angesichts der Erkenntnisse der modernen Forschung, festhalten, dass ab dem Moment der erfolgreichen Verschmelzung der Zellkerne nicht nur die Biologie, sondern auch wesentliche Züge der Person schon angelegt sind. Diese Anlagen entwickeln sich – natürlich beeinflusst durch Umweltfaktoren – kontinuierlich weiter. Dies gilt etwa für die Gesichtszüge ebenso wie für die Intelligenz. Beide sind im Embryonalstadium noch nicht sichtbar und nachweisbar, aber sie entwickeln sich aus den von Anfang an vorhandenen genetischen Anlagen und das zwangsläufig, ohne dass von außen noch ein entscheidender Impuls bzw. Beitrag hinzukommen müsste. Insofern sind Festlegungen wie „menschliches Leben beginnt mit der Anlage der Großhirnrinde“ aus der Sicht von Vertretern der zygotischen Position völlig willkürlich.

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Der zygotischen Position hat sich in gewisser Weise auch die deutsche Gesetzgebung angeschlossen. So ist nach deutschem Recht die befruchtete Eizelle Träger der Grundrechte. Embryonenforschung ist deshalb in Deutschland verboten. Hier schützt der Gesetzgeber insbesondere Embryonen, die nicht für eine künstliche Befruchtung verwendet werden, sondern für die Forschung. Dass die Zygoten und Embryonen Träger von Grundrechten sind, heißt aber nicht, dass diese im deutschen Recht absolut geschützt sind. Insbesondere im Fall einer Abtreibung überwiegen unter bestimmten Voraussetzungen die Rechte der Mutter die des Embryos.

Zuletzt eine Ausnahme: So sehr die zygotische Position die Kontinuität der Entwicklung betont und damit feststellt und festsetzt, dass eine menschliche Person im Moment der Vereinigung der Vorkerne entsteht, so sehr gilt auch: Eine Zygote, die aus sich heraus nicht im Stande ist, die Geburtsreife zu erreichen, weil sie mit dem Leben unvereinbare Fehlentwicklungen ausweist, ist kein menschliches Leben.

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