Wann beginnt menschliches Leben? Teil V – mit der Anlage des Großhirns

Ja, man kann es sich einfach machen und annehmen, dass neues Leben mit der Befruchtung beginne. Immerhin, das sei hier zugegeben ist eine neue Vermischung von Genen entstanden, die ein eigenes Entwicklungspotential hat und auch zeigt. Doch bedeutet das zugleich, dass in diesem Moment schon ein neuer Mensch ins Leben getreten sei? Für W. Ruff, den Vertreter der folgenden Position ist dies nicht der Fall. Im Gegenteil, nach der Befruchtung liegt zwar schon Menschliches vor, aber es ist noch kein Mensch da. Der menschliche Keim ist genauso menschlich wie ein meinem Körper entnommenes Organ. Menschlich aber noch lange kein Mensch.

shutterstock_139691557

Die Qualität des Keims ändert sich ein Stück weit erst ab dem 13. Tag nach der Befruchtung, wenn eine Mehrlings- oder Zwillingsbildung ausgeschlossen ist. Ab diesem Zeitpunkt ist es legitim, davon zu reden, dass nun ein menschliches Individuum vorliege. Aber auch hier gilt es kritisch zu bleiben: Reicht Individualität als Kriterium aus, um zu sagen, der Keim sei ein Mensch? Tatsächlich ist das zu verneinen, denn sicher, wie reden gerne von unserer Individualität unserer Einzigartigkeit, aber das ist kein besonderes, spezifisches Merkmal des Menschen. Auch Schweine etwa sind Individuen, was uns mitnichten daran hindert, sie in Ställen zu halten und zu Wurst zu verarbeiten…

Es gibt nur ein Merkmal, das kulturgeschichtlich besehen, schon immer dazu herangezogen wurde, um den Unterschied zwischen Mensch und Tier zu beschreiben und das als Kriterium auch allgemein anerkannt wurde: Den Geist, der seinerseits den Verstand und die Fähigkeit zu künstlerischer und spiritueller Aktivität umfasst. Dieser wurde klassischerweise gerne mit der Seele in eins gesetzt, doch heute, angesichts der modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse muss als sicher gelten, dass es das Großhirn mit den entsprechenden Hirnrindenarealen ist, auf die es ankommt. (W. Ruff will, das sei hier bemerkt, keineswegs die Existenz einer Seele bestreiten. Er stellt nur fest, dass ohne das Großhirn die Seele keine Ausdrucks- und Wirkmöglichkeiten hätte)

Und so ist festzuhalten, dass solange das Großhirn nicht voll ausgebildet ist oder Teile desselben fehlen bzw. missgebildet sind, sich das was da im Bauch der Mutter ist, nicht von anderen Lebewesen unterscheidet. Es kann und darf behandelt werden wie eben diese. Oder umgekehrt: Erst mit einem differenziert ausgebildeten Großhirn also in etwa ab der 20. Woche, ist eine neue Person ins Leben getreten.

Leave a comment