Präimplantations- und Pränataldiagnostik

„Hättet ihr das nicht verhindern können?“ Fragen wie diese bekommen Eltern von behinderten Kindern, insbesondere Kindern mit Down-Syndrom immer wieder gestellt. Die Vorstellung dahinter ist einfach und zugleich bösartig druckvoll: Es gibt heute sehr ausgereifte Möglichkeiten der Diagnostik, angefangen mit der Präimplantationsdiagnostik bis hin zur nichtinvasiven Pränataldiagnostik mit deren Hilfe man feststellen kann, ob ein Kind eine Behinderung hat oder nicht. Dies ist zwar noch etwas pauschal formuliert, denn noch lassen sich auf diese Weise nicht alle möglichen Behinderungen diagnostizieren, aber das wird bald der Fall sein. Doch es geht hier nicht um Diagnose, sondern um Verhinderung, denn ein behindertes Kind ist, dies ist zugespitzt die Idee hinter Bemerkungen, wie der eben zitierten, doch nur ein Fehler oder ein Schaden, den man vermeiden sollte, wenn man kann.

Diese privaten Bemerkungen über Behinderte weisen auf einen gesellschaftlichen Trend hin, der sich in einer weiteren Idee spiegelt: Tests auf Behinderungen verpflichtend zu machen. Das Ziel dabei ist ein wirtschaftliches, denn je weniger Behinderte es gibt, desto weniger Kosten entstehen, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Oder alternativ: Man könnte dann die Kosten auf die Eltern abwälzen, nach dem Motto: Warum soll die Allgemeinheit für ein Kind aufkommen, wenn die Eltern sich gezielt für ein behindertes Kind entschieden haben?

Ganz in der Tradition des Alten und Neuen Testaments muss ein Christ sich als Anwalt der Schwachen engagieren. Die Schwachen, dies sind in diesem Fall die Behinderten, die in unsere moderne, gestylte, leistungsorientierte, optimierte und sich selbst optimierende Gesellschaft nicht zu passen scheinen. Ziel muss es sein, eine wahrhaft freie Gesellschaft zu verteidigen und gegebenenfalls wieder zu etablieren, in der jeder so angenommen wird, wie er ist, in der es echte Inklusion (nicht nur ein Nebeneinanderher) statt Exklusion gibt.

Dazu gehört auch, dass die richtige Haltung gegenüber Behinderten nicht Mitleid ist, im Sinne von „Oh du armer Blinder, wie schrecklich, dass Du nichts sehen kannst“, denn diese Art von „Mitleid“ ist eigentlich nur eine Abwertung des Gegenübers ausgehend von einer Vorstellung vom Normalen. Dagegen ist festzuhalten, dass der Andere, jeder Andere, ob blind, ob mit Down-Syndrom oder Topmodell ein Geschöpf Gottes, ein Ebenbild Gottes ist. Alle Menschen sind gleich vor Gott und sollten deshalb auch untereinander gleich sein. Mitleid braucht es also nur, wenn Behinderte ausgegrenzt, benachteiligt werden, aber noch mehr als Mitleid braucht es dann nach dem Vorbild Jesu parteiisches Engagement für Gleichberechtigung.

Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle die Freiheit, die Gott dem Menschen als sein Ebenbild schenkt. Diese Freiheit steht dem noch nicht geborenen Kind, ob behindert oder nicht, aber auch der Mutter zu. Zu dieser Freiheit gehört die Verantwortung, die wir füreinander tragen. In diesem Sinne wäre es der Mutter zu wünschen, dass sie wahrnimmt und spürt, dass ihr Umfeld und die Gesellschaft ihr Kind, egal ob behindert oder nicht, als gleichberechtigtes und gleichwertiges Geschöpf Gottes in die Gemeinschaft aufnimmt. Unverantwortlich und Freiheit raubend wäre es hingegen, wenn eine Gesellschaft einer werdenden Mutter Präimplantationsdiagnostik oder Pränataldiagnostik vorschreibt. Ebenso verwerflich wäre es, wenn man die Mutter unter Druck setzen würde, eine Schwangerschaft zu verhindern bzw. abzubrechen, wenn der Test eine Behinderung anzeigt. Doch auch die Mutter zwingen zu wollen, dass sie auf keinen Fall sich und ihr Kind untersuchen lässt bzw. abtreibt, ist keine verantwortungsvolle und die uns von Gott geschenkte Freiheit wahrende Idee.

Die Freiheit, die Gott uns schenkt, bedeutet also, dass die Mutter als Geschöpf Gottes ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben hat und das heißt hier auch, dass sie die Verantwortung trägt (tragen sollte) zu entscheiden, wann sie ein Kind will, ob sie es untersuchen lassen und gegebenenfalls abtreiben lassen will. Sie ist Ebenbild Gottes und daher souverän, mit Hilfe ihrer Vernunft, ihren Gefühlen und ihrem Glauben eine Entscheidung zu treffen, die sie mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Sie muss sie auch verantworten können, aber – das ist wichtig – als Ebenbild Gottes allein vor Gott und nicht auch vor den Menschen.