Von der Freiheit eines Christenmenschen II

Martin Luther widmet die Schrift “Von der Freiheit eines Christenmenschen” dem Adel. Er spricht beim Reichstag zu Worms vor Adligen und Geistlichen, aber seine Botschaft kommt auch bei den einfachen Menschen an. Jene nehmen Ideen, wie die von der Freiheit des Christenmenschen gerne auf. Dabei kommt es jedoch, ohne dass Luther das gewollt hätte, zu einer politischen Interpretation. Notleidende, ausgebeutete Bauern, unterstützt und ermuntert durch radikale Theologen wie Thomas Müntzer, Andreas Bodenstein (Karlstadt) deuten den Gedanken von der Freiheit des Christen als Auftrag zum Handeln und machen sich daran, die Verhältnisse radikal zu verändern. So trägt Martin Luther zumindest insofern eine Mitschuld an dem Bauernaufstand im Jahr 1525, als er nichts gegen eine radikale und politisierende Deutung seiner Botschaft unternimmt.

Graefin_Helfenstein_von_Matthaeus_Merian_d_Ae(Gräfin Helfenstein bittet um Gnade für ihren Mann; im Hintergrund hat der Spiesrutenlauf schon begonnen)

Für diese passive Haltung Luthers gibt es sicherlich mehrere Gründe. Luther will letztendlich nur die Kirche reformieren, nicht die deutsche Gesellschaft. Er ist Theologe, kein Politiker. Er hat zudem viel Verständnis für die Situation der Bauern und ermahnt deshalb die Fürsten zum Frieden. Als es aber zur Weinsburger Bluttat kommt, muss er Stellung beziehen, und er tut dies, in dem er ganz nach dem Vorbild des Paulus, die Christen, in diesem Falle die Fürsten und die Bauern an ihre Verantwortung in der Welt erinnert, mit einem Gedanken, den er schon in seiner Schrift “Von der Freiheit eines Christenmenschen” formuliert und den er immer als gleichwertige Ergänzung neben den Satz von der Freiheit gestellt hatte:

Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan.

und

indem er sich im Bauernaufstand mit der Schrift “Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern” deutlich auf die Seite der Fürsten stellt – aus historischer Sicht eine Entscheidung, die zwar einerseits den Fortbestand der reformatorischen Bewegung sichert, andererseits aber fatale Folgen für das Luthertum hat: Luther liefert das Vorbild für die bei vielen Lutheraner zu beobachtende Obrigkeitstreue, die das Luthertum auch im Dritten Reich lähmt.

Dabei, das muss hier gerade mit Blick auf die anderen reformatorischen Strömungen, insbesondere die Reformierten, betont werden, bestand noch eine weitere Möglichkeit, den Satz von der Freiheit des Christenmenschen (zuzüglich der Vorstellung vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen) zu deuten: Als starker Impuls für die Idee von der Gleichheit aller Menschen und damit für die Demokratie. Zumindest in den reformierten Gebieten wird letztere tatsächlich schon mit Einführung der Reformation erprobt.

Von der Freiheit eines Christenmenschen I

Martin Luther war der, auf den viele deutsche Fürsten gewartet hatten. Sie litten unter anderem darunter, dass die katholische Kirche mit ihrem hohen Finanzbedarf, etwa für den Bau des Petersdoms in Rom, ihre Untertanen schröpfte. Da waren Luthers Predigten und Schriften gegen den Ablass sehr willkommen. Sehr gespannt warteten die Fürsten darauf, wie sich die Auseinandersetzung zwischen Luther und der katholischen Kirche weiterentwickeln würde.

Luther wiederum, der ursprünglich angenommen hatte, dass der Papst vom Ablasshandel in Deutschland nichts wusste, musste bald erkennen, dass er sich geirrt hatte. Die kritische Auseinandersetzung und Diskussion über die Missstände, die sich Luther gewünscht hatte, fanden nicht statt. Im Gegenteil: Die katholische Kirche reagierte mit Druck und ihrer schärfsten Waffe, der Androhung des Banns. Luther brauchte also Verbündete und er suchte sie bei den Fürsten. Es ist daher kein Zufall, dass sich Luther mit der Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ „An den christlichen Adel deutscher Nation“ wendet.

Sehr klar formulierte Luther dort einen Gedanken, den viele Fürsten, aber auch Städte dankbar aufnahmen: Ein Mensch, der sich Gott öffnet und die Liebe Gottes annimmt, ist ein freier Herr und niemandem untertan. Er muss sich nicht beeindrucken lassen von Äußerlichkeiten wie bischöflichen Gewändern, kirchlichen Amtstiteln oder Weihen, selbst wenn sie der Papst selbst gegeben hätte. Diese Dinge sind, so Luther, fleischlicher Natur und damit irrelevant. Entscheidend ist der Glaube und in diesem sind alle gleich, weil Gott jeden gleich liebt und annimmt.

Damit wischt Luther einen zentralen Baustein der katholischen Lehre beiseite: Die durch die „Konstantinische Schenkung“ begründete und mit dem „Gang nach Canossa“ durchgesetzte Überordnung des geistlichen (= im katholischen Verständnis kirchlichen) Standes über den sogenannten weltlichen oder Laienstand. Der Christ muss den Vorschriften und Vorstellungen der Kirche nicht folgen, um Gott zu gefallen. Er darf selbst die Bibel lesen, sie selbst deuten, er darf selbst Gebete formulieren und ethische Entscheidungen treffen. Es gibt keinen Unterschied zwischen geistlichem Stand (Pfarrer, Bischöfe, Papst) und weltlichem Stand, im Gegenteil, alle sind nach Luther in der Kirche gleich – das berühmte allgemeine Priestertum aller Gläubigen.

Luther gibt den Fürsten und Städten damit das Recht in die Hand, die Reform der Kirche selbst in die Hand zu nehmen und sich von Rom zu emanzipieren. Ein Angebot, das gerne angenommen wurde und so verlief der Reichstag zu Worms 1521 auf Druck der Fürsten anders als sich das Kaiser Karl V und der Papst (bzw. sein Nuntius) vorgestellt hatten. Luther bekam den Raum, den er brauchte, um seine Ansichten darzustellen und, auch wenn er den Kaiser und den päpstlichen Nuntius nicht überzeugen konnte, viele Anwesende beeindruckte er durch seine Haltung, in der er die Freiheit des einzelnen Christen zum Ausdruck brachte: Ich unterwerfe mich nicht einfach der Autorität der Kirche oder der Tradition. Ich will überzeugt sein, durch Gründe aus der Schrift und der Vernunft, die ich auch mit meinem Gewissen vereinbaren kann.

Wann beginnt menschliches Leben VIII – wenn zukunftsbezogene Wünsche nachweisbar sind

Speziesismus mit diesem Begriff beschreibt der Präferenzutilitarismus, prominent vertreten durch P. Singer, eine neue (und doch eigentlich sehr alte) Form menschlichen Fehlverhaltens. Speziesismus steht in einer Reihe mit Rassismus und Sexismus, ist eigentlich ebenso absolut verwerflich, wird aber ebenso immer wieder leider praktiziert. Speziesismus, das ist die Idee, dass etwas, was menschliche Gene hat, etwas Besonderes sei, schützenswert, Träger von Menschenrechten… Dies ist, folgt man dem Präferenzutilitarismus ebenso wirr und falsch, wie zu glauben, dass ein Farbiger ein schlechterer Mensch sei, als ein Weißer. Oder anders gesagt: Was im Hinblick auf Rassismus und Sexismus gilt, sollte auch in Bezug auf den Speziesismus gelten: Nicht etwas Ontologisches wie die Hautfarbe, das Geschlecht oder eben die Anwesenheit menschlicher Gene macht den Menschen zum Menschen, sondern sein Person sein ist es, das ihn zum Menschen macht.

Ab wann menschliches Leben beginnt ist deshalb, um Speziesismus zu verhindern, nicht ontologisch, sondern moralisch zu definieren. Eine geeignete Leitfrage wäre dabei: “Welche Eigenschaften sind für uns in Bezug auf das Töten von Lebewesen bedeutsam”. Schnell kommt man hier auf Begriffe, die recht konsensfähig sind: Ist das Lebewesen sich seiner selbst bewusst, hat es Wünsche und Interessen?

Hier ist nun freilich noch Präzision gefragt: Pflanzen, Tiere sind sich in gewisser Weise ihrer selbst und ihrer Umgebung bewusst. Sie haben auch den Wunsch zu überleben. Trotzdem töten wir sie regelmäßig, etwa auf der Suche nach Nahrung. Wir haben zwar manchmal Skrupel, etwa wenn uns das Tier mit treuen braunen Augen anschaut – aber wissenschaftlich besehen sind das nur Projektionen von unseren Gefühlen in das Tier hinein. Wirklich verwerflich ist für uns das Töten von Lebewesen erst dann, wenn klar ist, dass das betreffende Tier ein echtes Bewusstsein von sich selbst, von Zeit und Raum hat, wenn wir nachweisen können und sicher wissen, dass es sich erinnert, dass es seine Zukunft planen kann, dass es Wünsche für die Zukunft hat. Bei Delfinen etwa ist dies der Fall.

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Bezogen auf den Menschen heißt dies: Nach ehrlicher, objektiver und wissenschaftlicher Erkenntnis, ist weder die befruchtete Eizelle, noch der Embryo und auch nicht das Neugeborene besonders schützenswert. Sie gehören zwar zur menschlichen Spezies, haben das Potential sich zu einer Person zu entwickeln, aber sie sind es (noch) nicht. Denn, was unterscheidet das Baby von einer Schnecke – nichts. Das Baby ist sich, wie die Schnecke seiner Umgebung grob bewusst. Die Schnecke und das Baby haben Wünsche, z.B. wollen beide essen. Über diese primitiven Wünsche und Formen des Bewusstseins geht es jedoch nicht hinaus und so macht es keinen Unterschied, ob ich eine Schecke töte oder ein Baby: Ich zerstöre ein Leben, dass Essen will, das Wärme sucht… nicht mehr (auch wenn das Baby vielleicht in der Zukunft mal anders sein könnte).

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Damit verschiebt sich der Beginn des menschlichen Lebens, insofern es als schützenswert zu betrachten ist, als Träger von Menschenrechten – in der Terminologie des Präferenzutilitarismus – des Personseins nach hinten in das Kleinkindalter. Erst hier sind zukunftsbezogene und zunehmend abstraktere Wünsche und Interessen nachweisbar.

Nachtrag: Bitte beachten: Delfine und einige andere Tiere sind für Präferenzutilitaristen ebenso Personen und damit grundsätzlich genauso schützenswert wie ein Jugendlicher oder Erwachsener Mensch…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil VII – mit dem ehelichen Akt

Wann beginnt menschliches Leben? Ein Blick in die Natur reicht aus, um diese Frage zu beantworten: Ein Löwe sieht eine Löwin; ein Amselmännchen ein Amselweibchen, ein Hunderüde ein Hundeweibchen… er erkennt, ob sie läufig ist oder nicht und falls sie es ist, folgen drei Schritte: Die Ausschaltung von Konkurrenz, die Balz und bei Erfolg: Die Begattung. So funktioniert das im Prinzip in der Natur. Und, warum nicht auch beim Menschen, er ist doch letztlich auch nur Natur? Menschliches Leben begänne dann mit dem im richtigen Moment zur Zeugung vollzogenen Geschlechtsakt.

Nun gut, so einfach wie bei den Tieren ist es beim Mensch dann doch nicht. Immerhin gibt es bei uns keine Kämpfe zwischen den Männchen um die Weibchen. Immerhin können Männer, die durch eine Stadt laufen, auf Befragen nicht sagen, welche der Frauen, die ihnen begegnen, sich gerade in der Follikelphase befinden. Wir riechen das nicht (siehe dazu aber die neuere Forschung). Das ist außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung und vor allem unseres Selbstverständnisses, denn wir glauben uns dadurch vom Tier zu unterscheiden, dass wir die Dinge vernünftig angehen. Wir überlegen uns (im Idealfall) gründlich, an wen wir uns binden, planen, wann und wie viele Kinder wir bekommen… Und ja, zugegeben, machmal sind wir nicht vernünftig, geht die Natur mit uns durch, aber auch dann wissen wir uns zu helfen, die Dinge zu kontrollieren, mit Trennung oder Scheidung, Pille, Kondom und notfalls auch mit der Pille danach oder einer Abtreibung.

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So unterscheidet uns vom Tier zum einen die Fähigkeit gezielt und bewusst ein Beziehung einzugehen, ein Kind zu wollen oder nicht und zum anderen ein anderes Verhältnis zu unserer eigenen Sexualität: Wir haben Sex nicht nur um Kinder zu zeugen, sondern auch um der Lust willen, weil es schön ist…

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Genau an dieser Stelle setzt nun jene von strengen Katholiken und Evangelikalen vertretene Position ein, die es im Folgenden darzustellen gilt. Ihr Credo: Sex ist nur dann gut, wenn er innhalb der Ehe der Zeugung eines Kindes dient. Wer Sex in der Absicht hat, kein Kind zu zeugen, wer vor oder außerhalb der Ehe Sex hat, handelt gegen die Natur.

Bewusst war hier “nur” von einem Handeln gegen die Natur die Rede, denn die Verfechter dieser Position sehen in der Natur das Gute, das Gott gewollte und damit auch das Vorbild für das, was der Mensch tun sollte und tun könnte. Wie die Tiere soll der Mensch, so heißt es in der Schöpfungsgeschichte, fruchtbar sein und sich vermehren und – wie bei so mancher Tierart – dazu einen Partner auf Lebenszeit haben.

Warum aber handelt der Mensch anders, widernatürlich? Warum hat er Sex um der Lust willen, nur weil es schön ist? Warum verhindert er die Entstehung von menschlichen Leben etwa durch den Gebrauch von Kondomen und sündigt so gegen die Natur, seine Natur und gegen Gott? Er tut dies, folgt man den Vertretern dieser Position, nicht etwa, weil er “besser” wäre als die Tiere, weil er etwa seine Instinkte kontrollieren könnte, weil er vernünftig erkannt hätte, dass es wichtig wäre auf Geburtenkontrolle zu achten… Nein, der Mensch tut dies, weil er seit dem Sündenfall mit der Erbsünde belastet ist. Diese, so lehrte es bereits der Kirchenvater Augustin, führt dazu, dass er insbesondere in der Sexualität die Lust sucht, darauf fixiert ist und den wahren Zweck der Sexualität fast vergisst, bzw. der eigenen Lust unterordnet.

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(siehe auch: wahre Liebe wartet)

Die Erbsünde ist unser aller Last, wir alle tragen sie in uns. Sie prägt unser Handeln und lässt uns oft nur an unsere Lust denken. Dies nun so stehen zu lassen, käme freilich einem Euphemismus, einer grob fahrlässigen Verharmlosung der Wahrheit gleich. Denn diese Lust ist nicht schön, das ist nur oberflächlich und für eine kurze Zeit so, sie ist vielmehr die Quelle der Sünde. Wir verführen einander, wecken Hoffnungen im Anderen, brechen einander oder nur einer dem anderen die Herzen oder gar die Ehe des anderen und warum? Um der Lust willen. Um der Lust willen haben wir Sex und “oje, ein Unfall! sie könnte schwanger werden oder sie ist aus Versehen schwanger geworden” wir töten Leben, entwerten menschliches Leben zum “Zellhaufen”, den man doch mit Pille danach oder Abtreibung problemlos entfernen kann, damit der weiteren freien Entfaltung der Lust und unseres Selbsts nichts im Wege stehe…

Gegen die Erbsünde zu kämpfen ist heilsnotwendig für den Menschen. Es ist gegen die Natur, gegen Gott abzutreiben oder zu verhüten, denn unsere Sexualität ist uns zu einem einzigen Zweck gegeben: Zur Zeugung von Kindern, zur Erfüllung des Schöpfungsauftrags, unserer Natur. Und weil dies die einzige Bestimmung unserer Sexualität ist, ist es auch richtig zu sagen, dass das menschliche Leben mit dem Geschlechtsakt und im Idealfall mit dem ehelichen Akt beginnt. Wer dies anders sieht, der tut dies, weil er der Erbsünde nachgibt und daher glaubt, Sexualität habe in der Befriedigung der Lust einen eigenen Wert…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil VI – mit Ausschluss der Zwillingsbildung

Thomas v. Aquin, dem großen Scholastiker verdanken wir eine sehr klare und wirksame Definition des Begriffes Person: Eine Person ist ein Individuum, das fähig ist, seinen ganzen Lebenszyklus mit durchhaltender Identität zu erleben. Oder anders gesagt: Ich nehme mich jetzt als Schreiber dieses Blogs wahr und ich weiß im selben Moment auch, dass ich derselbe bin, wie der, der im Jahr 1998 für mehrere Monate in Australien war, wie der, der sich mit 5 Jahren die Lippe so heftig aufgeschlagen hat, dass sie genäht werden musste… und ich weiß auch (ich hoffe es zumindest), dass ich morgen derselbe sein werde, wie ich heute bin.

Doch, wann beginnt diese meine durchgängige durchhaltende Identität? Ich war vermutlich schon ich als ich zwei Jahre alt war, nur, daran erinnere ich mich nicht mehr (obwohl es, folgt man der Psychologie, hier möglich sein sollte alte Erinnerungen wieder zu erwecken). Ich erinnere mich sehr wohl an die Stimme meiner Mutter, ich erinnere mich jedoch nicht daran, dass ich mir diese schon in ihrem Bauch gemerkt habe (Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass wir das können). Es ist also sehr schwer über Erinnerungen oder ein Nachdenken über das eigene Ich einen korrekten Anfang der eigenen Identität zu finden.

Damit ist eines klar: So sehr dieser Ansatz zur Definition des Begriffes Person unserer eigenen Selbstwahrnehmung entspricht, so schwer ist es, einen objektiven Punkt zu benennen, an dem unsere durchgängige Identität beginnt und der dann, im Idealfall, auch noch für alle gleich ist. Zum Glück kommen uns an dieser Stelle Beobachtungen der Biologen über die Qualität und Fähigkeiten der ersten menschlichen Zellen, nach der Verschmelzung der Vorkerne zur Hilfe.

So sind die ersten aus der befruchteten Eizelle entstehenden Zellen omnipotent, sie können alles werden, alles sein. Nicht zufällig ist es in dieser Phase der Entwickung auch noch jederzeit möglich, dass Zwillinge entstehen. Erst nach Abschluss der Gastrulation, mit der Entstehung der drei Keimblätter, der Neuralplatte und nicht zuletzt mit der Entstehung des ersten Organs, des Blutsystems, hat sich etwas Entscheidendes verändert: Gab es vorher nur ein Beiandersein von fusions- und entwicklungsfähigen Zellen, so ist gegen Ende der dritten Woche ein neues Individuum ins Dasein getreten. Ab jetzt existiert eine Einheit, der sich die einzelnen Zellen mit ihrem Entwicklungspotential unterordnen, sie spezifizieren sich immer mehr für das Wohl der Einheit.

Zwei Dinge sind für die Festlegung auf diesen Zeitpunkt entscheidend: Die Entstehung eines ersten , die Einheit verbindenden und stärkenden Organs und noch vorher die Bildung des Primitivstreifens, der die Basis für die Einheit ist. Entsteht er nicht, so entsteht gar nichts, entstehen zwei, so entstehen Zwillinge … in jedem Fall aber, ist er das Band, dass die einzelnen Zellen mit ihren Entwicklungsmöglichkeiten integriert und zu einem Organsimus formt.

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Damit ist eine klare Grenze gesetzt, wann menschliches Leben beginnt. Mit der Bildung des Primitivstreifens beginnt die durchhaltende Identität, entsteht die Person. Folgt man dem Theologen N.M. Ford dann macht es auch Sinn anzunehmen, dass erst in diesem Moment die Beseelung stattfindet. Vorher ist der Mensch noch nicht. Vorher gibt es nur ein Vorstadium zum Menschen, aus dem sich noch alles entwickeln kann, z.B. eben auch zwei Menschen…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil IV – wenn unser Gehirn funktioniert

Seit Jahrzehnten streitet sich die deutsche Gesellschaft über den Beginn des menschlichen Lebens. Es ist ein Streit, der manchmal schwelt, manchmal heftig ausbricht – man denke nur an jene Zeiten, als die Zeitschrift “Stern” titelte “Wir haben abgetrieben!” (6.6.1971) und der Streit um Paragraph 218 Strafgesetzbuch seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Heftig gestritten, wenngleich mit deutlich weniger öffentlicher Leidenschaft, wurde in der Gegenwart unter anderem um die Forschung an Embryonen. In all diesen Fällen wurden mit der Zeit Lösungen gefunden, gesetzliche Regelungen geschaffen, die der Mehrheitsmeinung zu entsprechen scheinen, nur eines gab es nicht: einen gesellschaftlichen Konsens. Und so stehen in der Gegenwart immer wieder Befürworter der Pille, der Abtreibung, der Embryonenforschung entsprechenden Gegnern gegenüber und dabei gilt dann auch noch, dass es längst nicht gesagt ist, dass der, der etwa eine Abtreibung für vertretbar hält, die Forschung an Embryonen befürwortet.

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(Abtreibungsgegner in München, 10.5.2014
Quelle: ETIENjones / Shutterstock.com)

In dieser festgefahrenen Situation, in der es fast ausgeschlossen zu sein scheint, dass eine Definition zum Beginn des menschlichen Lebens breite Zustimmung findet und damit konsensfähig ist, tut es gut, einmal in eine andere Richtung zu schauen: Ans Ende des menschlichen Lebens. Und das erstaunliche ist: Hier hat die deutsche Gesellschaft zu einem Konsens gefunden, hier gibt es keine sich teilweise widersprechenden Regelungen, wie es sie in den den Anfang des Lebens betreffenden Gesetzen gibt (Abtreibung ist erlaubt – Forschung an Embryonen nicht). Hier ist klar: Ein Mensch ist tot, wenn der Hirntod eingetreten ist, wenn sichergestellt ist, dass nicht nur Teile des Gehirns, sondern Großhirn und Hirnstamm so irreversibel geschädigt sind, dass sie nicht mehr funktionieren.

Diese Beobachtung ist die Basis der Position, die Hans-Martin Sass, Vertreter der Differenzialethik, die sich um weltanschauliche Offenheit, Orientierung an der Person und Situation ebenso bemüht, wie um den gesellschaftlichen Konsens in der Entscheidungsfindung, einnimmt: Wenn es doch konsensfähig ist, dass das menschliche Leben in dem Moment endet, in dem das Hirn aufhört zu funktionieren, warum soll man dann nicht annehmen, dass menschliches Leben dann beginnt, wenn das Gehirn anfängt zu funktionieren?

Bliebe nur noch die Frage, wann genau man davon ausgehen kann, dass das Gehirn als solches Funktionstüchtigkeit erlangt hat. Und auch hier lohnt sich ein Rückblick auf die Diskussionen und Gedanken, die zu der in Deutschland gültigen Hirntodregelung geführt haben: Es darf kein Zweifel bestehen, dass das Gehirn sich nicht doch noch erholt oder dass Teile desselben eigenständig funktionieren. Der kleinste Hinweis darauf, dass der Patient zum Beispiel das Locked-in-Syndrom haben könnte, verhindert somit, dass der Betreffende für Tod erklärt wird.

Überträgt man dies auf die Frage nach dem Anfang des Lebens, folgt daraus, dass eine Definition eigentlich dann konsensfähig sein müsste, wenn sie festlegt, dass menschliches Leben in dem Moment beginnt, in dem das Gehirn anfängt funktionsfähig zu werden, konkret etwa am siebzigsten Tag nach der Empfängnis. Nachweisbar sind dann im Kortex Synapsen, die die isolierten Neuronen vernetzen, Neuronenansammlungen und erste Tendenzen zu einer Teilung des Hirns. Ab diesem Zeitpunkt könnte der Embryo z.B. schon licht- und schmerzempfindlich sein und damit würde für ihn das gelten, was auch für einen Menschen mit dem apallischen Syndrom gilt: Niemand würde ihm das Leben nehmen…

 

Der Existentialismus – der Mensch und der Tod III

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Was soll man tun, angesichts der Erfahrung des Absurden? Was soll man tun, wenn man mitbekommt, wie der Kollege, der hart arbeitete, alles gab, damit es der Familie gut geht, der sehr gesund lebte, Sport trieb, plötzlich einen Herzinfarkt bekommt und stirbt? Es gibt zwei Optionen: Die erste wählen wir sehr gerne: Kurz erschrecken, kurz beteuern, dass man nun selbst mehr auf sich achten werde und dann das Ganze möglichst schnell verdrängen und weitermachen wie bisher. Die zweite ist die von der wir gerne reden, die wir aber selten bis gar nicht konsequent umsetzen:

  1. Anerkennen der Absurdität unserer normalen Existenz, in der wir funktionieren, so wie man es von uns erwartet, als guter Familienvater, als guter Arbeitnehmer…
  2. Die Tatsache ernst nehmen, dass wir zu oft Optionsscheine auf eine ungewisse Zukunft ziehen, in der wir dann glauben, glücklich zu werden, glücklich zu sein und daher
  3. beginnen, das zu tun, was wir können und was auch das Einzige ist, das Sinn macht, nämlich so zu leben, dass möglichst jeder Augenblick unseres Lebens sinnvoll ist, denn so sehr wir nicht im Griff haben, was in der Zukunft passiert, so sehr haben wir doch im Griff, was genau jetzt, in diesem Moment passiert.

Was wir davon hätten, würden wir uns an Option 2 halten? Nun zuallererst ein großes Moment der Befreiung, denn wir wären wieder Herr über uns selbst. Wir würden schlichtweg nicht mehr mitmachen, bei dem “man macht”, “sie sollten jetzt”, “es wird erwartet, dass”. Lebten wir nach Option 2, dann würde sich auch unser Leben deutlich verändern, denn wir würden jeden Moment, jede Begegnung ernst nehmen. Gerade letzteres würde einen großen Fortschritt in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen bedeuten, weil wir immer tiefe und sinnhafte Momente suchen würden, nie nur smalltalk und Oberflächlichkeiten. Und – dies ist den Existentialisten das Wichtigste – wenn wir dies tun, dann würden wir auch sehen, dass es den anderen ähnlich geht, wie uns, dass sie ebenfalls die Absurdität dessen spüren, was wir ein normales Leben nennen, die Sinnlosigkeit der üblichen Lebensentwürfe und, dass sie, wie wir selbst, Angst haben vor der letzten Erkenntnis: Unsere Existenz an sich hat keinen Sinn. Wir sind und bleiben in dieser Welt ein Nichts, ein Spielball, der Konzerne, der Politiker, der Medien, der Naturgewalten…

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Würden wir uns und unsere Mitmenschen in dieser Form ernst- und wahrnehmen, als Menschen, die eigentlich nichts in der Hand haben, außer den konkreten Moment;

Würden wir begreifen und uns der Tatsache stellen, dass es die Angst vor der Sinnlosigkeit uneres Daseins ist, die uns dazu treibt, vorgegebenen Sinnentwürfen brav zu folgen, zu tun, was man sagt.

Und würden wir stattdessen versuchen, jedem Moment, jeder Begegnung Sinn zu geben,

dann wäre ein ganz anderen zwischenmenschlicher Umgang möglich – wahre echte Humanität,

weil es dann nicht mehr um Dinge ginge, die nicht erreichbar sind, wie gesellschaftliches Ansehen, die Ehre oder Wohlstand, sondern um die wahren Dinge des Lebens, um Gefühle, um echtes Verstehen…

Und im Idealfall – dann wenn wir doch alt werden und es doch schaffen, im “Haus am See” zu leben, von dem Peter Fox singt – dann ja dann und nur dann könnten wir unseren 20 Kindern und 100 Enkeln unendlich viel erzählen, weil wir unendliche viele wertvolle Momente erlebt hätten …

Der Existentialismus – der Mensch und der Tod II

Bei allen Lebewesen und geschaffenen Dingen geht die Essenz der Existenz voraus. Sprich: Bevor der Tonkrug entsteht, ist bereits ein Plan im Kopf der Töpfers. Er will ein bestimmtes Gefäß zu einem bestimmten Zweck machen und hat dazu ganz bestimmte Vorstellungen. Ähnlich ist es auch bei Tieren und Pflanzen: Auch sie haben ihren vorgegebenen Platz in der Natur, den zu erfüllen sie bestimmt sind. Ein Löwe kann nicht beschließen, dass er gerne ein Affe wäre.

Nur der Mensch fällt aus diesem Rahmen. Er ist das einzige Lebewesen, bei dem die Existenz der Essenz vorausgeht. Er kommt zur Welt ohne vorgegebene Bestimmung seines Wesens, seiner Aufgaben. In ihm ist nichts. Nichts, was ihn von innen heraus dazu treibt, irgendeine Rolle oder gar eine Sinnbestimmung anzustreben. Er hat sehr individuelle Talente sicher, aber es nicht so wie etwa bei einem männlichen Löwen, der gar nicht anders kann als die Rolle des Paschas in einer Herde anzustreben… Im Menschen ist Nicht und er kann und darf sich daher selbst seinen Sinn geben, seine Aufgaben und Wesensbestimmungen selbst suchen.

Das ist der Grundgedanke des Existentialismus, der freilich zugibt, dass dieser Gedanke ein Ideal beschreibt. In Wirklichkeit geht auch beim Menschen die Essenz der Existenz voraus. Er wird zum Beispiel in so manchen Fällen schon in der Absicht gezeugt, später den Betrieb der Eltern zu übernehmen, das Leben seiner Eltern mit Sinn zu erfüllen, später, wenn er älter ist, ist es sein ihm vorgegebener Sinn, sich zu bilden, ein vollwertiges und gutes Mitglied der Gemeinschaft zu sein, dabei kann er dann auch wählen, ob er etwa den Sinn seines Lebens darin sieht Lehrer zu werden oder Banker… Aber das sind Details, das Wesentliche ist vorgegeben, ein Zwangskorsett, das uns von Kindheit an angelegt ist und das wir deshalb oft als solches gar nicht wahrnehmen. In den Worten Sartres: Die Hölle, das sind die anderen, jene (konkrete Personen, aber auch das abstrakte “man”), die mir vorgeben, wie ich zu leben habe.

Which way?

So scheint es sehr wohl so zu sein, dass wir einerseits von der Gesellschaft eine Essenz, eine Wesensbestimmung und Lebensaufgabe aufgedrückt bekommen und andererseits an gewissen Stellen und innerhalb bestimmter Grenzen uns unseren Sinn selbst geben können. Doch dies zu glauben, so betonen die Existentialisten uni sono, ist eine einzige Täuschung. Sie verweisen hier unter anderem auf das im vorherigen Blogeintrag genannte Beispiel: Als Hunderttausende in den ersten Weltkrieg zogen, im Glauben einem höheren Sinn und Ziel zu folgen, fielen sie auf diese Täuschung herein, ihr Leben, ihr Tod, war sinnlos, absurd.

Aber auch im Kleinen kann man schnell die Erfahrung des Absurden machen. Man denke hier nur an einen jungen Mann, der sich ganz im Sinne der Gesellschaft für die Karriere aufopfert, der arbeitet bis zum Umfallen, immer mit dem Ziel, viel Geld zu verdienen, um dann eines Tages das Leben genießen zu können, der dann aber mit 35 erfährt, dass er Krebs hat und nicht mehr lange zu leben. Welchen Sinn hatte sein Leben bis dahin? Was kann er festhalten, was in seinem Leben hat die Qualität, dass er angesichts der Botschaft vom nahen Krebstod sagen kann: Dafür hat es sich gelohnt zu leben!

Der Einbruch des Absurden in unser Leben – in Form von einer Krankheit, mit der wir nicht gerechnet haben, einem Schicksalsschlag, einer Entscheidung von irgendwelchen Mächtigen – die Erfahrung, dass plötzlich alles zerbricht und infrage gestellt ist, was wichtig war, ist es die die Existentialisten sagen lässt, dass dieses Leben an sich sinnlos ist. Wir haben es, seinen Ablauf und die Faktoren die diesen Ablauf beeinflussen nicht wirklich im Griff. Zu glauben, man könne es planen, dass das Ende der Lebensstraße so aussieht, wie bei Peter Fox in “Haus am See” ist deshalb eine Illusion. Darauf zu setzen, dass es funktionieren werde, ist nichts anderes als Lotto zu spielen.

Extended Family Group Enjoying Outdoor Meal Together

 

Der Existentialismus – der Mensch und der Tod I

Das Leben – dein Leben, mein Leben, alles ist sinnlos! So etwas sagen Depressive, so etwas sagt kein normaler, gesunder Mensch, so möchte man meinen. Doch, was wäre, wenn dieser Satz das Ergebnis intensiver, philosophischer Reflexion wäre, wenn er nicht von psychisch angeschlagenen Menschen käme, sondern von logisch analytischen Denkern? Lohnt es sich dann intensiver darüber nachzudenken oder wäre es besser, Philosophen, die derartiges vertreten, zu ignorieren, sie zu den sog. bösen Philosophen zu zählen, deren Werke man am besten verbrennt?

Nun, die Antwort auf diese Frage ist recht einfach: Wenn es darum geht zu verhindern, dass kritische Fragen gestellt werden, dass Selbstverständliches hinterfragt wird, dann ja, dann ist es richtig, diese Aussagen und die Gedanken, die die Philosophen dazu hatten, zu verdrängen, zu ignorieren. Freilich, man könnte an dieser Stelle auch den Spies umdrehen und feststellen: Wer sich dieser Aussage, dieser Erkenntnis nicht stellen mag ist oberflächlich, ignoriert die Wahrheit und hat Angst vor derselben. Er ist deshalb auch gut manipulierbar.

Ein Beispiel, das Beispiel: Hunderttausende junge Männer zogen in den ersten Weltkrieg. Begeistert, hochmotiviert zogen sie los, brachen teilweise ihre Schulausbildung ab, gaben ihren Beruf auf, ließen ihre Familie zuhause sitzen, um ihr Vaterland zu verteidigen. Sie vegetierten bald in Schützengräben vor sich hin, starben qualvoll und wenn sie nicht starben, so kamen sie körperlich und seelisch gebrochen zurück. War ihr Leben sinnvoll? War ihr Tod sinnvoll? Hatten die, die überlebten danach ein sinnvolles Leben? Wurde es ihnen gedankt? Oder waren diese Hunderttausende, die da in den ersten Weltkrieg gezogen waren, letztlich nichts anders als Manöveriermasse in den Schlachtplänen der Generäle?

Marble Crosses on a Cemetery

Was wäre passiert, wenn sie alle gesagt hätten: Das Leben ist sinnlos und daher ist es auch völlig sinnlos zu glauben, dass es gut sein kann für das Vaterland in den Krieg zu ziehen! Dann hätte das Volk, die Masse nicht mehr so funktiert, wie sie funktionieren sollte. Deshalb waren und sind Kriegsdienstverweigerer, aber auch allgemein Aussteiger und Andersdenkende aus der Sicht derer die vom bestehenden System leben, so gefährlich. Sie sind Sand im Getriebe. Sie machen Angst, weil sie das Vertraute, das Bewährte, das Allgemeingültige in Frage stellen und vor allem, weil sie eine Alternative aufzeigen, zu dem, was man so tut und damit alle anderen herausfordern, traut euch, handelt eigenständig, nehmt euer Leben selbst in die Hand.

Es gab einige Philosophen, die die Ansicht vertraten, dass das Leben an sich und auch das Leben eines jeden Einzelnen sinnlos sei, jene von denen im folgenden die Rede sein soll, sind die Existentialisten, wie etwa Albert Camus, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir.

Thomas v. Aquin – der Mensch und der Tod

Die Bibel steckt voller Mysterien, geheimnisvoller, rätselhafter Ereignisse und Aussagen. Man denke hier nur an Genesis 1,7, jene Stelle, in der beschrieben wird, wie Gott den Menschen aus Ackererde formt und ihm dann den Odem (Atem) des Lebens in seine Nase bläst, um ihn zum lebendigen Wesen zu machen. Mysterien, wie diesen, also der Frage – was passiert hier eigentlich – wollten die Scholastiker auf den Grund gehen. Ihr Ziel war dabei zugleich zu zeigen, dass sich christlicher Glaube mit antiker Philosophie verbinden lässt, dass beide sich nicht ausschließen.

Dabei, dies darf hier nicht vergessen werden, existierte natürlich schon längst eine entscheidende Vordeutung der oben genannten Stelle, denn Juden und Christen, die im griechisch-römischen Kulturkreis sozialisiert waren, lasen hier die klassische antike Philosophie hinein, sprich sie setzten den Odem des Lebens mit der Seele nach Plato und Aristoteles gleich. Diese Gleichsetzung hinterfragten auch die Scholastiker nicht. Sie untersuchten vielmehr, welches der großen antiken philosophischen Systeme mit dem christlichen Glauben vereinbar sein könnte.

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Sehr schnell wurde ihnen klar, dass zentrale Elemente in der Lehre Platos dem christlichen Glauben, der Bibel widersprechen. Dies gilt vor allem für die Vorstellung von einer präexistenten Seele, die die Welt der Ideen, das Göttliche, schon einmal gesehen hat,  für die Vorstellung vom Leib/Körper als Gefängnis der Seele und nicht zuletzt auch für die Idee, dass die Seele irgendwann wieder in einen Körper zurückkehren muss, weil nur so neues Leben auf der Erde entstehen kann. Umso glücklicher war man daher, bei Aristoteles zahlreiche Gedanken zu finden, die sich mit der christlichen Lehre vereinen ließen. Prägend wurde hier letztlich Thomas v. Aquin mit seiner Interpretation von Aristoteles.

Thomas v. Aquin übernimmt von Aristoteles den Gedanken, dass die Seele göttlichen Ursprungs und zugleich zu Beginn des menschlichen Lebens leer (tabula rasa), frisch, ungeprägt sei. Er sieht, wie der Philosoph, in der Seele die dem Körper Form gebende, gestaltende Kraft. Dabei erscheint der Körper nicht wie bei Plato als Gefängnis, sondern als Gegenstück zur Seele. Beide brauchen einander. Der Körper ist ohne die Seele tot und die Seele ihrerseits kann ohne den Körper ihr Wesen nicht entfalten.

Der Unterschied zwischen Thomas v. Aquin und Aristoteles liegt in der Deutung des Todes und der Zeit danach. Thomas v. Aquin wendet sich hier zuerst ganz deutlich gegen jene Interpretation von Aristoteles nach der die Geistseele nach dem Tod im allumfassenden Logos aufgeht. Für ihn, als Christen, ist das Weiterleben der Seele nur als individuelle Seele, als Einzelseele vorstellbar und mit der Bibel vereinbar. Noch wichtiger ist Thomas v. Aquin freilich ein anderer Gedanke, der deutlich über Aristoteles hinausgeht: Die Seele, die nach dem Tode und dem damit verbundenen Verfall des Körpers übrigbleibt, darf nicht gleichgesetzt werden mit dem Menschen. Sie ist nur ein Teil des Menschen, der auf seine Vervollkommnung wartet. Diese wird es geben, wenn am Jüngsten Tag Gott die Menschen von den Toten wiederauferweckt und damit wiederholt, was er am Anfang der Zeiten getan hat: Er verbindet die Seele des Verstorbenen wieder mit einem neugeschaffenen Körper.

 

Und so

Insofern geht es hier nicht um diese Gleichsetzung sondern mehr um die ref