Aristoteles oder die Kritik der Alten an Smith et al

Wall street sign in New York with American flags and New York Stock Exchange background.

Wall street sign in New York with American flags and New York Stock Exchange background.

In unserer auf Fitness, Schönheit und Gesundheit fixierten Welt boomt das Geschäft mit der Gesundheit. Aktien aus dem Bereich Healthcare gelten als krisensichere Anlage. Nachweislich wird in Krankenhäusern immer wieder bei gleich guten Heilungschancen lieber operiert als konservativ behandelt, unter anderem auch, weil dadurch die Bilanzen besser werden. Aber, darf man mit der Gesundheit von Menschen Geschäfte machen?

Die Tatsache, dass es so ist und dass nicht nur der Bereich Gesundheit, sondern auch unser Tod, unsere Ängste, unsere Psyche, die Bildung und vieles andere mehr immer mehr zu Geschäftszweigen werden, zeigt aus der Sicht des antiken Philosophen Aristoteles eines: Wie sehr profitorientiertes Handeln die Gesellschaft korrumpiert. Der besorgte, verängstige Patient, der trauernde Angehörige sie alle sind oftmals nur noch eines: Kunden, denen man besonders gut etwas besonders teueres verkaufen kann. Das Gegenüber ist nicht mehr Subjekt, sondern Objekt, einer von vielen Kunden eben. Die Gier herrscht und hat sich überallhin ausgebreitet.

So ist es dann auch zu erklären, dass es uns relativ egal ist, wo und unter welchen Bedingungen unsere Kleidung, unsere Handys … hergestellt werden, entscheidend ist, dass unsere Gier nach Fortschritt, nach etwas Neuem befriedigt wird. Wer trägt schon ein Jahr lang dieselben Klamotten? Wer hat schon noch das Handy, das er vor fünf Jahren hatte, auch wenn es noch einwandfrei funktioniert? Aber, es geht noch perverser: Man kann an der Börse auch darauf spekulieren, dass es Unternehmen X gelingt, die Lohnnebenkosten durch eine Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Deutschland in Schwellenländer zu senken und so den Gewinn zu steigern. Oder noch besser: Man kaufe Futures auf Getreide in der Hoffnung, dass aufgrund von Missernten der Preis für Getreide steigt… Unsere Gier nach Geld und Vorteilen geht vor, egal ob da nun ein paar hundert deutsche Arbeiter arbeitslos werden oder ob es sich einfache Menschen in bestimmten Teilen der Welt nicht mehr leisten können, Getreide zu kaufen, weil der Preis auf dem Weltmarkt festgesetzt wird und dank der Spekulaten künstlich in die Höhe getrieben wurde…

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Aristoteles und Plato

Das alles passiert – auch wenn sich Aristoteles vieles von dem überhaupt noch nicht vorstellen konnte – weil profitorientiertes Handeln sich durchgesetzt hat, weil statt des gerechten, natürlichen Preises für ein Produkt, ein künstlicher Marktpreis bezahlt wird. Deshalb muss im Sinne von Aristoteles die Rückkehr zum gerechten Tausch gefordert werden.

Zum Schutz der Bauern, die dann wieder selbst den Preis für ihre Produkte festlegen und aushandeln können, anstatt ihre Preise vom “Weltmarkt” bzw. von Spekulanten diktiert zu bekommen.

Zum Schutz der Näherinnen und Näher, die dann selbst den gerechten Preis für ihre Kleider bestimmen können und nicht mehr für Hungerlöhne arbeiten müssen.

Zu unserem Schutz, weil wir dann selbst gezwungen werden, unsere bequeme Konsumentenposition zu verlassen und unsere Gier zu zügeln und neu beginnen müssen, uns mit der Frage nach der Mitte, der gerechten Bezahlung, gerechten Verhältnissen auseinanderzusetzen.

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Adam Smith – der freie Markt und die Gier

Die Aktienmärkte schienen nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Viele junge Unternehmen, aus der Computer- und Softwarebranche bereiteten ihren Gang an die Börse vor. Die Stimmung war gut. Profis zeichneten die Aktien der Startup´s und machten riesige Gewinne, denn kaum waren die Aktien tatsächlich auf dem Markt, schossen die Kurse in die Höhe.  Dieses Phänomen blieb nicht unbeachtet und bald sprach sich herum: Man kann an der Börse leichtes Geld verdienen. Normale deutsche Sparer, die traditionell eher konservativ sind und dem Aktienmarkt auch gerne ganz fernblieben, witterten plötzlich die Chance auf den schnellen Gewinn. Und tatsächlich, es ging weiter – man zeichnete – oft waren die Aktien so begehrt, dass man gar keine oder nur wenige Aktien bekam, – das Unternehmen ging an die Börse und plötzlich war man deutlich reicher, als vorher. Bis zu dem Tag, als die Blase platzte. Plötzlich fiel der Wert der Dotcom-Aktien rapide. Jene, die ihr Erspartes in der Hoffnung es an der Börse schnell vermehren zu können, zum falschen Zeitpunkt investiert hatten, verloren auf einen Schlag fast alles. Der freie Markt hatte ihre Gier bestraft. Die Dotcom Blase war geplatzt

Businesspeople grabbing money

Businesspeople grabbing money

Die Gier des Menschen, das ist ein Thema von Adam Smith. Er denkt nicht, dass der Menschen absolut schlecht sei, im Gegenteil, er traut dem Menschen sehr wohl zu, dass er echte und ehrliche Akte der Nächstenliebe vollbringt. Viel stärker als der Wunsch Gutes zu tun, ist im Menschen aber die Gier. Sie ist so stark, dass es nicht möglich ist, sie und die ihr folgenden Taten, mit Gesetzen, harten Strafen etc. zu unterbinden. Man kann sie durch entsprechende staatliche Maßnahmen gegebenenfalls eine zeitlang eindämmen, aber, so die Überzeugung von A. Smith, sie wird Wege finden, sich außerhalb der staatlichen Kontrolle frei zu entfalten.
Typisches Argument in diesem Kontext: Wenn Deutschland die Gesetze zur Spekulation an der Börse verschärft, Spekulationsgewinne massiv besteuert, dann verlagern die Banken diese Geschäftszweige eben ins Ausland und Deutschland hat das Nachsehen, denn Deutschland verliert den Ruf als weltweit wichtiger Handelsplatz und Arbeitsplätze gehen so ebenfalls verloren…

Es ist somit falsch, die Gier in den unkontrollierbaren Untergrund zu drängen, man muss sie so nutzen, dass aus ihr heraus etwas Gutes, ein Vorteil für alle entsteht. An dieser Stelle könnte man auf die Idee kommen zu sagen: Wenn der Staat oder die Gesellschaft die Gier also nicht verhindern kann, dann muss man sie eben auf bestimmte Ziele hin lenken. Doch das führt nach A. Smith nicht zum gewünschten Ziel, zu mehr Wohlstand für alle, denn A. Smith geht davon aus, dass wir alle freie Menschen sind, und wer will sich schon von einer Hand führen lassen? Deshalb muss eine unsichtbare Hand dafür sorgen, dass aus Gier ein Vorteil für alle entsteht, die unsichtbare Hand des freien Marktes. Ideal wäre somit, wenn alle, die profitorientiert handeln wollen, sich frei entfalten können. Dann entstehen, getrieben durch die Gier der Erfinder und Geschäftsleute neue Geschäftsideen, neue Produkte und Dienstleistungen, von denen sich dann am freien Markt  jene durchsetzen werden – so die (Glaubens-)Überzeugung von A. Smith –  die allen ein mehr an Wohlstand bringen.
In diesem Sinne profitieren z.B. fast alle von den Produkten von Softwarefirmen und Handyherstellern. Die Unternehmer, die zu den reichsten Männern der Welt wurden und wir, die wir als Endverbraucher nutzen, was die Firmen auf den Markt bringen. Wir sind dankbar, dass so manches, wie etwa das Schreiben und Veröffentlichen von Texten einfacher geworden und damit der Wohlstand für uns gestiegen ist.

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Damit dieser Plan, durch freien Markt allen Menschen mehr Wohlstand zu bringen, gelingt, ist es wichtig sicherzustellen, dass der Markt wirklich frei ist. Der Staat sollte deshalb nicht in den Markt eingreifen, er sollte aber den freien Markt gegen Kriminelle und Kartelle verteidigen.
Zur Idee des freien Marktes gehört, dass alle Teilnehmer frei sind. Insofern gilt, es ist vollkommen mir überlassen, ob ich beim Einkauf von Kleidern auf den fairen Wert achte (auf die Verarbeitung der Ware etc.) und den natürlichen Preis zahle oder ob ich bereit bin einen völlig überteuerten Preis, den Marktpreis zu bezahlen, weil ich unbedingt Kleidung von einem bestimmten Label will, weil ich so am Wohlstand teilhaben kann. Anders zu beurteilen wäre dieser Einkauf, wenn ich betrogen würde, wenn also ein Produktpirat mir, ohne dass ich es weiß, für einen überteuerten Preis Kleidung verkauft. In letzterem Fall wäre ein Eingreifen des Staates angezeigt.
Zur Idee des freien Marktes gehört desweiteren die Konkurrenz, denn sie sorgt dafür, dass Produkte weiterentwickelt und für den Verbraucher billiger werden. Deshalb sollte weder der Staat Monopole schaffen und haben noch zulassen, dass Unternehmen Kartelle bilden. Ein Beispiel hierfür wäre das Monopol der ehemals staatlichen Bahn auf den Busverkehr zwischen den Städten. Seitdem dieses Monopol fiel, drängen immer mehr Busunternehmen auf den Markt, die in Konkurrenz zur Bahn treten und so dafür sorgen, dass die Ticketpreise für Busfahrten zwischen den großen deutschen Städten fallen