Präimplantations- und Pränataldiagnostik

„Hättet ihr das nicht verhindern können?“ Fragen wie diese bekommen Eltern von behinderten Kindern, insbesondere Kindern mit Down-Syndrom immer wieder gestellt. Die Vorstellung dahinter ist einfach und zugleich bösartig druckvoll: Es gibt heute sehr ausgereifte Möglichkeiten der Diagnostik, angefangen mit der Präimplantationsdiagnostik bis hin zur nichtinvasiven Pränataldiagnostik mit deren Hilfe man feststellen kann, ob ein Kind eine Behinderung hat oder nicht. Dies ist zwar noch etwas pauschal formuliert, denn noch lassen sich auf diese Weise nicht alle möglichen Behinderungen diagnostizieren, aber das wird bald der Fall sein. Doch es geht hier nicht um Diagnose, sondern um Verhinderung, denn ein behindertes Kind ist, dies ist zugespitzt die Idee hinter Bemerkungen, wie der eben zitierten, doch nur ein Fehler oder ein Schaden, den man vermeiden sollte, wenn man kann.

Diese privaten Bemerkungen über Behinderte weisen auf einen gesellschaftlichen Trend hin, der sich in einer weiteren Idee spiegelt: Tests auf Behinderungen verpflichtend zu machen. Das Ziel dabei ist ein wirtschaftliches, denn je weniger Behinderte es gibt, desto weniger Kosten entstehen, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Oder alternativ: Man könnte dann die Kosten auf die Eltern abwälzen, nach dem Motto: Warum soll die Allgemeinheit für ein Kind aufkommen, wenn die Eltern sich gezielt für ein behindertes Kind entschieden haben?

Ganz in der Tradition des Alten und Neuen Testaments muss ein Christ sich als Anwalt der Schwachen engagieren. Die Schwachen, dies sind in diesem Fall die Behinderten, die in unsere moderne, gestylte, leistungsorientierte, optimierte und sich selbst optimierende Gesellschaft nicht zu passen scheinen. Ziel muss es sein, eine wahrhaft freie Gesellschaft zu verteidigen und gegebenenfalls wieder zu etablieren, in der jeder so angenommen wird, wie er ist, in der es echte Inklusion (nicht nur ein Nebeneinanderher) statt Exklusion gibt.

Dazu gehört auch, dass die richtige Haltung gegenüber Behinderten nicht Mitleid ist, im Sinne von „Oh du armer Blinder, wie schrecklich, dass Du nichts sehen kannst“, denn diese Art von „Mitleid“ ist eigentlich nur eine Abwertung des Gegenübers ausgehend von einer Vorstellung vom Normalen. Dagegen ist festzuhalten, dass der Andere, jeder Andere, ob blind, ob mit Down-Syndrom oder Topmodell ein Geschöpf Gottes, ein Ebenbild Gottes ist. Alle Menschen sind gleich vor Gott und sollten deshalb auch untereinander gleich sein. Mitleid braucht es also nur, wenn Behinderte ausgegrenzt, benachteiligt werden, aber noch mehr als Mitleid braucht es dann nach dem Vorbild Jesu parteiisches Engagement für Gleichberechtigung.

Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle die Freiheit, die Gott dem Menschen als sein Ebenbild schenkt. Diese Freiheit steht dem noch nicht geborenen Kind, ob behindert oder nicht, aber auch der Mutter zu. Zu dieser Freiheit gehört die Verantwortung, die wir füreinander tragen. In diesem Sinne wäre es der Mutter zu wünschen, dass sie wahrnimmt und spürt, dass ihr Umfeld und die Gesellschaft ihr Kind, egal ob behindert oder nicht, als gleichberechtigtes und gleichwertiges Geschöpf Gottes in die Gemeinschaft aufnimmt. Unverantwortlich und Freiheit raubend wäre es hingegen, wenn eine Gesellschaft einer werdenden Mutter Präimplantationsdiagnostik oder Pränataldiagnostik vorschreibt. Ebenso verwerflich wäre es, wenn man die Mutter unter Druck setzen würde, eine Schwangerschaft zu verhindern bzw. abzubrechen, wenn der Test eine Behinderung anzeigt. Doch auch die Mutter zwingen zu wollen, dass sie auf keinen Fall sich und ihr Kind untersuchen lässt bzw. abtreibt, ist keine verantwortungsvolle und die uns von Gott geschenkte Freiheit wahrende Idee.

Die Freiheit, die Gott uns schenkt, bedeutet also, dass die Mutter als Geschöpf Gottes ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben hat und das heißt hier auch, dass sie die Verantwortung trägt (tragen sollte) zu entscheiden, wann sie ein Kind will, ob sie es untersuchen lassen und gegebenenfalls abtreiben lassen will. Sie ist Ebenbild Gottes und daher souverän, mit Hilfe ihrer Vernunft, ihren Gefühlen und ihrem Glauben eine Entscheidung zu treffen, die sie mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Sie muss sie auch verantworten können, aber – das ist wichtig – als Ebenbild Gottes allein vor Gott und nicht auch vor den Menschen.

Wann beginnt menschliches Leben VIII – wenn zukunftsbezogene Wünsche nachweisbar sind

Speziesismus mit diesem Begriff beschreibt der Präferenzutilitarismus, prominent vertreten durch P. Singer, eine neue (und doch eigentlich sehr alte) Form menschlichen Fehlverhaltens. Speziesismus steht in einer Reihe mit Rassismus und Sexismus, ist eigentlich ebenso absolut verwerflich, wird aber ebenso immer wieder leider praktiziert. Speziesismus, das ist die Idee, dass etwas, was menschliche Gene hat, etwas Besonderes sei, schützenswert, Träger von Menschenrechten… Dies ist, folgt man dem Präferenzutilitarismus ebenso wirr und falsch, wie zu glauben, dass ein Farbiger ein schlechterer Mensch sei, als ein Weißer. Oder anders gesagt: Was im Hinblick auf Rassismus und Sexismus gilt, sollte auch in Bezug auf den Speziesismus gelten: Nicht etwas Ontologisches wie die Hautfarbe, das Geschlecht oder eben die Anwesenheit menschlicher Gene macht den Menschen zum Menschen, sondern sein Person sein ist es, das ihn zum Menschen macht.

Ab wann menschliches Leben beginnt ist deshalb, um Speziesismus zu verhindern, nicht ontologisch, sondern moralisch zu definieren. Eine geeignete Leitfrage wäre dabei: “Welche Eigenschaften sind für uns in Bezug auf das Töten von Lebewesen bedeutsam”. Schnell kommt man hier auf Begriffe, die recht konsensfähig sind: Ist das Lebewesen sich seiner selbst bewusst, hat es Wünsche und Interessen?

Hier ist nun freilich noch Präzision gefragt: Pflanzen, Tiere sind sich in gewisser Weise ihrer selbst und ihrer Umgebung bewusst. Sie haben auch den Wunsch zu überleben. Trotzdem töten wir sie regelmäßig, etwa auf der Suche nach Nahrung. Wir haben zwar manchmal Skrupel, etwa wenn uns das Tier mit treuen braunen Augen anschaut – aber wissenschaftlich besehen sind das nur Projektionen von unseren Gefühlen in das Tier hinein. Wirklich verwerflich ist für uns das Töten von Lebewesen erst dann, wenn klar ist, dass das betreffende Tier ein echtes Bewusstsein von sich selbst, von Zeit und Raum hat, wenn wir nachweisen können und sicher wissen, dass es sich erinnert, dass es seine Zukunft planen kann, dass es Wünsche für die Zukunft hat. Bei Delfinen etwa ist dies der Fall.

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Bezogen auf den Menschen heißt dies: Nach ehrlicher, objektiver und wissenschaftlicher Erkenntnis, ist weder die befruchtete Eizelle, noch der Embryo und auch nicht das Neugeborene besonders schützenswert. Sie gehören zwar zur menschlichen Spezies, haben das Potential sich zu einer Person zu entwickeln, aber sie sind es (noch) nicht. Denn, was unterscheidet das Baby von einer Schnecke – nichts. Das Baby ist sich, wie die Schnecke seiner Umgebung grob bewusst. Die Schnecke und das Baby haben Wünsche, z.B. wollen beide essen. Über diese primitiven Wünsche und Formen des Bewusstseins geht es jedoch nicht hinaus und so macht es keinen Unterschied, ob ich eine Schecke töte oder ein Baby: Ich zerstöre ein Leben, dass Essen will, das Wärme sucht… nicht mehr (auch wenn das Baby vielleicht in der Zukunft mal anders sein könnte).

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Damit verschiebt sich der Beginn des menschlichen Lebens, insofern es als schützenswert zu betrachten ist, als Träger von Menschenrechten – in der Terminologie des Präferenzutilitarismus – des Personseins nach hinten in das Kleinkindalter. Erst hier sind zukunftsbezogene und zunehmend abstraktere Wünsche und Interessen nachweisbar.

Nachtrag: Bitte beachten: Delfine und einige andere Tiere sind für Präferenzutilitaristen ebenso Personen und damit grundsätzlich genauso schützenswert wie ein Jugendlicher oder Erwachsener Mensch…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil VII – mit dem ehelichen Akt

Wann beginnt menschliches Leben? Ein Blick in die Natur reicht aus, um diese Frage zu beantworten: Ein Löwe sieht eine Löwin; ein Amselmännchen ein Amselweibchen, ein Hunderüde ein Hundeweibchen… er erkennt, ob sie läufig ist oder nicht und falls sie es ist, folgen drei Schritte: Die Ausschaltung von Konkurrenz, die Balz und bei Erfolg: Die Begattung. So funktioniert das im Prinzip in der Natur. Und, warum nicht auch beim Menschen, er ist doch letztlich auch nur Natur? Menschliches Leben begänne dann mit dem im richtigen Moment zur Zeugung vollzogenen Geschlechtsakt.

Nun gut, so einfach wie bei den Tieren ist es beim Mensch dann doch nicht. Immerhin gibt es bei uns keine Kämpfe zwischen den Männchen um die Weibchen. Immerhin können Männer, die durch eine Stadt laufen, auf Befragen nicht sagen, welche der Frauen, die ihnen begegnen, sich gerade in der Follikelphase befinden. Wir riechen das nicht (siehe dazu aber die neuere Forschung). Das ist außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung und vor allem unseres Selbstverständnisses, denn wir glauben uns dadurch vom Tier zu unterscheiden, dass wir die Dinge vernünftig angehen. Wir überlegen uns (im Idealfall) gründlich, an wen wir uns binden, planen, wann und wie viele Kinder wir bekommen… Und ja, zugegeben, machmal sind wir nicht vernünftig, geht die Natur mit uns durch, aber auch dann wissen wir uns zu helfen, die Dinge zu kontrollieren, mit Trennung oder Scheidung, Pille, Kondom und notfalls auch mit der Pille danach oder einer Abtreibung.

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So unterscheidet uns vom Tier zum einen die Fähigkeit gezielt und bewusst ein Beziehung einzugehen, ein Kind zu wollen oder nicht und zum anderen ein anderes Verhältnis zu unserer eigenen Sexualität: Wir haben Sex nicht nur um Kinder zu zeugen, sondern auch um der Lust willen, weil es schön ist…

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Genau an dieser Stelle setzt nun jene von strengen Katholiken und Evangelikalen vertretene Position ein, die es im Folgenden darzustellen gilt. Ihr Credo: Sex ist nur dann gut, wenn er innhalb der Ehe der Zeugung eines Kindes dient. Wer Sex in der Absicht hat, kein Kind zu zeugen, wer vor oder außerhalb der Ehe Sex hat, handelt gegen die Natur.

Bewusst war hier “nur” von einem Handeln gegen die Natur die Rede, denn die Verfechter dieser Position sehen in der Natur das Gute, das Gott gewollte und damit auch das Vorbild für das, was der Mensch tun sollte und tun könnte. Wie die Tiere soll der Mensch, so heißt es in der Schöpfungsgeschichte, fruchtbar sein und sich vermehren und – wie bei so mancher Tierart – dazu einen Partner auf Lebenszeit haben.

Warum aber handelt der Mensch anders, widernatürlich? Warum hat er Sex um der Lust willen, nur weil es schön ist? Warum verhindert er die Entstehung von menschlichen Leben etwa durch den Gebrauch von Kondomen und sündigt so gegen die Natur, seine Natur und gegen Gott? Er tut dies, folgt man den Vertretern dieser Position, nicht etwa, weil er “besser” wäre als die Tiere, weil er etwa seine Instinkte kontrollieren könnte, weil er vernünftig erkannt hätte, dass es wichtig wäre auf Geburtenkontrolle zu achten… Nein, der Mensch tut dies, weil er seit dem Sündenfall mit der Erbsünde belastet ist. Diese, so lehrte es bereits der Kirchenvater Augustin, führt dazu, dass er insbesondere in der Sexualität die Lust sucht, darauf fixiert ist und den wahren Zweck der Sexualität fast vergisst, bzw. der eigenen Lust unterordnet.

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(siehe auch: wahre Liebe wartet)

Die Erbsünde ist unser aller Last, wir alle tragen sie in uns. Sie prägt unser Handeln und lässt uns oft nur an unsere Lust denken. Dies nun so stehen zu lassen, käme freilich einem Euphemismus, einer grob fahrlässigen Verharmlosung der Wahrheit gleich. Denn diese Lust ist nicht schön, das ist nur oberflächlich und für eine kurze Zeit so, sie ist vielmehr die Quelle der Sünde. Wir verführen einander, wecken Hoffnungen im Anderen, brechen einander oder nur einer dem anderen die Herzen oder gar die Ehe des anderen und warum? Um der Lust willen. Um der Lust willen haben wir Sex und “oje, ein Unfall! sie könnte schwanger werden oder sie ist aus Versehen schwanger geworden” wir töten Leben, entwerten menschliches Leben zum “Zellhaufen”, den man doch mit Pille danach oder Abtreibung problemlos entfernen kann, damit der weiteren freien Entfaltung der Lust und unseres Selbsts nichts im Wege stehe…

Gegen die Erbsünde zu kämpfen ist heilsnotwendig für den Menschen. Es ist gegen die Natur, gegen Gott abzutreiben oder zu verhüten, denn unsere Sexualität ist uns zu einem einzigen Zweck gegeben: Zur Zeugung von Kindern, zur Erfüllung des Schöpfungsauftrags, unserer Natur. Und weil dies die einzige Bestimmung unserer Sexualität ist, ist es auch richtig zu sagen, dass das menschliche Leben mit dem Geschlechtsakt und im Idealfall mit dem ehelichen Akt beginnt. Wer dies anders sieht, der tut dies, weil er der Erbsünde nachgibt und daher glaubt, Sexualität habe in der Befriedigung der Lust einen eigenen Wert…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil VI – mit Ausschluss der Zwillingsbildung

Thomas v. Aquin, dem großen Scholastiker verdanken wir eine sehr klare und wirksame Definition des Begriffes Person: Eine Person ist ein Individuum, das fähig ist, seinen ganzen Lebenszyklus mit durchhaltender Identität zu erleben. Oder anders gesagt: Ich nehme mich jetzt als Schreiber dieses Blogs wahr und ich weiß im selben Moment auch, dass ich derselbe bin, wie der, der im Jahr 1998 für mehrere Monate in Australien war, wie der, der sich mit 5 Jahren die Lippe so heftig aufgeschlagen hat, dass sie genäht werden musste… und ich weiß auch (ich hoffe es zumindest), dass ich morgen derselbe sein werde, wie ich heute bin.

Doch, wann beginnt diese meine durchgängige durchhaltende Identität? Ich war vermutlich schon ich als ich zwei Jahre alt war, nur, daran erinnere ich mich nicht mehr (obwohl es, folgt man der Psychologie, hier möglich sein sollte alte Erinnerungen wieder zu erwecken). Ich erinnere mich sehr wohl an die Stimme meiner Mutter, ich erinnere mich jedoch nicht daran, dass ich mir diese schon in ihrem Bauch gemerkt habe (Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass wir das können). Es ist also sehr schwer über Erinnerungen oder ein Nachdenken über das eigene Ich einen korrekten Anfang der eigenen Identität zu finden.

Damit ist eines klar: So sehr dieser Ansatz zur Definition des Begriffes Person unserer eigenen Selbstwahrnehmung entspricht, so schwer ist es, einen objektiven Punkt zu benennen, an dem unsere durchgängige Identität beginnt und der dann, im Idealfall, auch noch für alle gleich ist. Zum Glück kommen uns an dieser Stelle Beobachtungen der Biologen über die Qualität und Fähigkeiten der ersten menschlichen Zellen, nach der Verschmelzung der Vorkerne zur Hilfe.

So sind die ersten aus der befruchteten Eizelle entstehenden Zellen omnipotent, sie können alles werden, alles sein. Nicht zufällig ist es in dieser Phase der Entwickung auch noch jederzeit möglich, dass Zwillinge entstehen. Erst nach Abschluss der Gastrulation, mit der Entstehung der drei Keimblätter, der Neuralplatte und nicht zuletzt mit der Entstehung des ersten Organs, des Blutsystems, hat sich etwas Entscheidendes verändert: Gab es vorher nur ein Beiandersein von fusions- und entwicklungsfähigen Zellen, so ist gegen Ende der dritten Woche ein neues Individuum ins Dasein getreten. Ab jetzt existiert eine Einheit, der sich die einzelnen Zellen mit ihrem Entwicklungspotential unterordnen, sie spezifizieren sich immer mehr für das Wohl der Einheit.

Zwei Dinge sind für die Festlegung auf diesen Zeitpunkt entscheidend: Die Entstehung eines ersten , die Einheit verbindenden und stärkenden Organs und noch vorher die Bildung des Primitivstreifens, der die Basis für die Einheit ist. Entsteht er nicht, so entsteht gar nichts, entstehen zwei, so entstehen Zwillinge … in jedem Fall aber, ist er das Band, dass die einzelnen Zellen mit ihren Entwicklungsmöglichkeiten integriert und zu einem Organsimus formt.

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Damit ist eine klare Grenze gesetzt, wann menschliches Leben beginnt. Mit der Bildung des Primitivstreifens beginnt die durchhaltende Identität, entsteht die Person. Folgt man dem Theologen N.M. Ford dann macht es auch Sinn anzunehmen, dass erst in diesem Moment die Beseelung stattfindet. Vorher ist der Mensch noch nicht. Vorher gibt es nur ein Vorstadium zum Menschen, aus dem sich noch alles entwickeln kann, z.B. eben auch zwei Menschen…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil IV – wenn unser Gehirn funktioniert

Seit Jahrzehnten streitet sich die deutsche Gesellschaft über den Beginn des menschlichen Lebens. Es ist ein Streit, der manchmal schwelt, manchmal heftig ausbricht – man denke nur an jene Zeiten, als die Zeitschrift “Stern” titelte “Wir haben abgetrieben!” (6.6.1971) und der Streit um Paragraph 218 Strafgesetzbuch seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Heftig gestritten, wenngleich mit deutlich weniger öffentlicher Leidenschaft, wurde in der Gegenwart unter anderem um die Forschung an Embryonen. In all diesen Fällen wurden mit der Zeit Lösungen gefunden, gesetzliche Regelungen geschaffen, die der Mehrheitsmeinung zu entsprechen scheinen, nur eines gab es nicht: einen gesellschaftlichen Konsens. Und so stehen in der Gegenwart immer wieder Befürworter der Pille, der Abtreibung, der Embryonenforschung entsprechenden Gegnern gegenüber und dabei gilt dann auch noch, dass es längst nicht gesagt ist, dass der, der etwa eine Abtreibung für vertretbar hält, die Forschung an Embryonen befürwortet.

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(Abtreibungsgegner in München, 10.5.2014
Quelle: ETIENjones / Shutterstock.com)

In dieser festgefahrenen Situation, in der es fast ausgeschlossen zu sein scheint, dass eine Definition zum Beginn des menschlichen Lebens breite Zustimmung findet und damit konsensfähig ist, tut es gut, einmal in eine andere Richtung zu schauen: Ans Ende des menschlichen Lebens. Und das erstaunliche ist: Hier hat die deutsche Gesellschaft zu einem Konsens gefunden, hier gibt es keine sich teilweise widersprechenden Regelungen, wie es sie in den den Anfang des Lebens betreffenden Gesetzen gibt (Abtreibung ist erlaubt – Forschung an Embryonen nicht). Hier ist klar: Ein Mensch ist tot, wenn der Hirntod eingetreten ist, wenn sichergestellt ist, dass nicht nur Teile des Gehirns, sondern Großhirn und Hirnstamm so irreversibel geschädigt sind, dass sie nicht mehr funktionieren.

Diese Beobachtung ist die Basis der Position, die Hans-Martin Sass, Vertreter der Differenzialethik, die sich um weltanschauliche Offenheit, Orientierung an der Person und Situation ebenso bemüht, wie um den gesellschaftlichen Konsens in der Entscheidungsfindung, einnimmt: Wenn es doch konsensfähig ist, dass das menschliche Leben in dem Moment endet, in dem das Hirn aufhört zu funktionieren, warum soll man dann nicht annehmen, dass menschliches Leben dann beginnt, wenn das Gehirn anfängt zu funktionieren?

Bliebe nur noch die Frage, wann genau man davon ausgehen kann, dass das Gehirn als solches Funktionstüchtigkeit erlangt hat. Und auch hier lohnt sich ein Rückblick auf die Diskussionen und Gedanken, die zu der in Deutschland gültigen Hirntodregelung geführt haben: Es darf kein Zweifel bestehen, dass das Gehirn sich nicht doch noch erholt oder dass Teile desselben eigenständig funktionieren. Der kleinste Hinweis darauf, dass der Patient zum Beispiel das Locked-in-Syndrom haben könnte, verhindert somit, dass der Betreffende für Tod erklärt wird.

Überträgt man dies auf die Frage nach dem Anfang des Lebens, folgt daraus, dass eine Definition eigentlich dann konsensfähig sein müsste, wenn sie festlegt, dass menschliches Leben in dem Moment beginnt, in dem das Gehirn anfängt funktionsfähig zu werden, konkret etwa am siebzigsten Tag nach der Empfängnis. Nachweisbar sind dann im Kortex Synapsen, die die isolierten Neuronen vernetzen, Neuronenansammlungen und erste Tendenzen zu einer Teilung des Hirns. Ab diesem Zeitpunkt könnte der Embryo z.B. schon licht- und schmerzempfindlich sein und damit würde für ihn das gelten, was auch für einen Menschen mit dem apallischen Syndrom gilt: Niemand würde ihm das Leben nehmen…

 

Wann beginnt menschliches Leben? Teil V – mit der Anlage des Großhirns

Ja, man kann es sich einfach machen und annehmen, dass neues Leben mit der Befruchtung beginne. Immerhin, das sei hier zugegeben ist eine neue Vermischung von Genen entstanden, die ein eigenes Entwicklungspotential hat und auch zeigt. Doch bedeutet das zugleich, dass in diesem Moment schon ein neuer Mensch ins Leben getreten sei? Für W. Ruff, den Vertreter der folgenden Position ist dies nicht der Fall. Im Gegenteil, nach der Befruchtung liegt zwar schon Menschliches vor, aber es ist noch kein Mensch da. Der menschliche Keim ist genauso menschlich wie ein meinem Körper entnommenes Organ. Menschlich aber noch lange kein Mensch.

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Die Qualität des Keims ändert sich ein Stück weit erst ab dem 13. Tag nach der Befruchtung, wenn eine Mehrlings- oder Zwillingsbildung ausgeschlossen ist. Ab diesem Zeitpunkt ist es legitim, davon zu reden, dass nun ein menschliches Individuum vorliege. Aber auch hier gilt es kritisch zu bleiben: Reicht Individualität als Kriterium aus, um zu sagen, der Keim sei ein Mensch? Tatsächlich ist das zu verneinen, denn sicher, wie reden gerne von unserer Individualität unserer Einzigartigkeit, aber das ist kein besonderes, spezifisches Merkmal des Menschen. Auch Schweine etwa sind Individuen, was uns mitnichten daran hindert, sie in Ställen zu halten und zu Wurst zu verarbeiten…

Es gibt nur ein Merkmal, das kulturgeschichtlich besehen, schon immer dazu herangezogen wurde, um den Unterschied zwischen Mensch und Tier zu beschreiben und das als Kriterium auch allgemein anerkannt wurde: Den Geist, der seinerseits den Verstand und die Fähigkeit zu künstlerischer und spiritueller Aktivität umfasst. Dieser wurde klassischerweise gerne mit der Seele in eins gesetzt, doch heute, angesichts der modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse muss als sicher gelten, dass es das Großhirn mit den entsprechenden Hirnrindenarealen ist, auf die es ankommt. (W. Ruff will, das sei hier bemerkt, keineswegs die Existenz einer Seele bestreiten. Er stellt nur fest, dass ohne das Großhirn die Seele keine Ausdrucks- und Wirkmöglichkeiten hätte)

Und so ist festzuhalten, dass solange das Großhirn nicht voll ausgebildet ist oder Teile desselben fehlen bzw. missgebildet sind, sich das was da im Bauch der Mutter ist, nicht von anderen Lebewesen unterscheidet. Es kann und darf behandelt werden wie eben diese. Oder umgekehrt: Erst mit einem differenziert ausgebildeten Großhirn also in etwa ab der 20. Woche, ist eine neue Person ins Leben getreten.

Wann beginnt menschliches Leben? Teil III – mit der Geburt

Erinnern wir uns an den Moment unserer Zeugung? Erinnern wir uns an jenen Moment, in dem unser Primitivstreifen entstand oder unser Großhirn? Nein! Wenn wir uns an etwas erinnern, dann ist es die Geburt. Sie ist die früheste Erfahrung, die wir machen, der Moment, in dem wir die schützende Höhle des mütterlichen Bauches verlassen und die Wärme, die Geborgenheit dieses Ortes ersetzt wird durch die Erfahrung der Welt. Letzteres kann, davon sind so manche Psychologen überzeugt, eine traumatische Erfahrung sein, verbunden mit der Erfahrung von Kälte, grellem Licht… So oder so: Es ist die erste unmittelbare und eigene Erfahrung, die wir machen. Deshalb gilt, dass die Geburt der Moment ist, in dem aus menschlichen Leben ein menschliches Wesen, ein Individuum wird. Ab diesem Zeitpunkt (inklusive Durchtrennung der Nabelschnur) gibt es einen neuen selbstständigen und selbstbestimmten Menschen, eine Person. Diese Person kann zwar im Gegensatz zum Erwachsenen weder politisch aktiv sein oder Verantwortung für ihr Tun übernehmen, aber sie hat ab der Geburt zumindest schon Verfügungsgewalt über den eigenen Körper, kann sich äußern (wenn auch aus Sicht der Erwachsenen noch recht unartikuliert)…

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Drehen wir das Ganze um, so ist es auch aus der Sicht der Erwachsenen, der Welt an sich, ähnlich. Wir feiern, so Volker Gerhardt, der zentrale Verfechter dieses Ansatzes, nicht die erfolgreiche Zeugung, die Entstehung des Großhirns oder das erste Strampeln, das die Mutter spürt, sondern die Geburt und das nicht ohne Grund: Erst mit der Geburt erleben auch wir die Außenstehenden und selbst die Mutter das Kind als eigenständiges Gegenüber. Erst angesichts des Neugeborenen können wir uns Gedanken machen, über das, was es uns mit seinem Schreien sagen will, wem es jetzt ähnlicher sieht und wir können gar schon versuchen, aus seinem Verhalten Charakterzüge abzuleiten…

Damit sollte eines klar geworden sein: Die Zeit vor der Geburt ist eine Zeit der Projektionen: Wir sehen – im (fiktiven) Mikroskop – eine befruchtete Eizelle, dann einen Embryo, dann ein Ultraschallbild und wir sehen doch nur das, was wir selbst sehen wollen – einen Zellhaufen, den lang ersehnten Stammhalter… Und sicher, es ist wohl schon so, dass im Moment der erfolgreichen Verschmelzung der Vorkerne, schon vieles von dem angelegt ist, was sich dann weiter entwickelt, aber erst mit der Geburt wird dies wahrnehmbar, weil erst nach der Geburt das neue Wesen sich auch als solches eigenständig verhält.

Ultrasound picture of baby isolated. Ultrasound scan of a twenty four week old fetus in a profile view lying on its back and sucking finger. Ultrasound of baby in pregnant woman.

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Weil dem so ist, macht es auch keinen Sinn, dem Sein vor der Geburt schon die Grundrechte zuzusprechen oder es insgesamt grundsätzlich zu schützen. Es ist ein Sein, das nur in Abhängigkeit von der Mutter lebt, das sich gesund ernährt, wenn die Mutter sich gesund ernährt, dass erregt ist, wenn die Mutter erregt ist… Nicht ohne Grund hat deshalb auch der deutsche Gesetzgeber es dem Willen der Mutter überlassen, ein Kind abzutreiben, wenn sie es nicht will. Aus demselben Grund aber sollte der deutsche Gesetzgeber dann auch konsequenterweise Embryonenforschung etc. zulassen.

 

 

 

Wann beginnt menschliches Leben? Teil II – die Position der Soziobiologie

Viele glauben, dass der Mensch durch die Entwicklung des Gehirns, insbesondere des Verstandes zu etwas Besonderem in dieser Welt wurde. Er allein ist kulturschaffend, hat Sinn für Ästhetik, kann mehrere Sprachen erlernen, ist zu hohem moralischen Verhalten fähig… Das stimmt auch so. Bezogen auf den Rest der Natur ist der Mensch durch all diese Fähigkeiten etwas besonders! Nur: Er ist deshalb auch nicht mehr als ein Tier, ein Naturwesen. Auch er wird bestimmt durch die Gesetze der Natur, die Gesetze der Evolution. Es geht, folgt man der Soziobiologie, im Leben des Menschen um nichts anderes als im Leben einer Schnecke oder eines Esels: Es geht trotz aller Kultur und aller geistigen Fähigkeiten nur um die Verbreitung der Gene, um Selektion, um die Durchsetzung der fittesten Gene. Warum dies so ist, dies zu begründen, ist nicht Ziel dieses Artikels, sondern nur zu zeigen, was dies für die Frage nach dem Anfang des menschlichen Lebens bedeutet:

Wir führen emotionale Befindlichkeiten an, um zu sagen, warum wir uns diesen oder jenen Partner ausgesucht haben; wir erklären mit vernünftigen Worten und ebenfalls emotionalen Stimmungen, warum wir es jetzt gut fänden, mit diesem Partner ein Kind zu bekommen. Aber es sind die Gene, die uns eigentlich zusammenbrachten. Es sind die Gene, die uns in ihrem Interesse ihre eigene Weiterverbreitung zu sichern, antrieben. Entscheidungen von Paaren, wie eben jene, jetzt ein Kind zu wollen oder erst in ein paar Jahren, sind in diesem Sinne nur scheinbar bewusst von uns getroffen. In Wahrheit folgen sie dem Druck der Gene und einem auch in der Natur zu beobachtenden Maßstab: Ist die Investition der eigenen – elterlichen – Ressourcen optimal und effektiv?

Und so müssen wir anerkennen, dass das, was wir bei Tieren als asozial erleben – Vögel etwa füttern bei knappem Nahrungsangebot ihre Jungen nicht gleichmäßig, sondern der größte und kräftigste Jungvogel bekommt immer zuerst und mehr, auch wenn das bedeutet, dass schwächere Tiere verhungern – auch beim Menschen stattfindet.

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(Kuckuck im Nest)

Schon immer haben Menschen ihren Nachwuchs selektiert, Abtreibungen vorgenommen, Säuglinge getötet oder versucht, Schwangerschaften zu verhüten. Wobei für uns Menschen gilt, was auch in der Natur gilt: Im Sinne der Ökonomie im Umgang mit den eigenen Ressourcen ist es natürlich sinnvoller, möglichst früh den nicht erwünschten Nachwuchs zu verhindern. Und auch dies gehört selbstverständlich dazu: Haben sich unser Gene reproduziert, sprich haben wir ein oder mehrere Kinder, so verhalten wir uns auch wie die Vögel: Wir versuchen die Lebenschancen unserer Kinder mit allen Mitteln zu optimieren und wir investieren auch hier bei knappen Ressourcen so, dass das stärkere/bessere Kind mehr gefördert wird…

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(in virto fertilisation)

An dieser Stelle mag so mancher natürlich einwenden, dass das hier Vorgetragene so nicht stimmen könne, immerhin gebe es ja genug Eltern, die z.B. ein behindertes Kind weder abtreiben noch im Kindesalter in ein Heim abschieben würden, um mehr Zeit für ein anderes, gesundes Kind zu haben. Doch diese und auch andere Beobachtungen stellen an sich keinen Widerspruch zur soziobiologischen Theorie dar, denn es ist wichtig folgendes zu wissen: Es geht in diesem Ansatz nicht um das individuelle Gen, meine Gene, sondern um die Gene des Menschen an sich. Letztere sind den Gesetzen der Evolution unterworfen, nach denen nur die fittesten, anpassungsfähigsten und besten Gene überleben und den Bestand der Art sichern. Das aber schließt nicht aus, dass bei einzelnen menschlichen Individuen, die Gene sich falsch entwickeln und Ressourcen in die Erhaltung nicht geeigneten Genmaterials stecken.

Und was bedeutet dies nun für den Beginn des menschlichen Lebens? In letzter Konsequenz verschiebt sich der Beginn des menschlichen Lebens – im Sinne von: Ab diesem Zeitpunkt ist das Lebewesen schützenswert und als eigenständig zu respektieren – deutlich nach hinten: Das Individuum zählt erst ab Eintritt der Reproduktionsreife…

Wann beginnt menschliches Leben? Teil I – die zygotische Position

Menschliches Leben beginnt mit der Karyogamie. Dies ist der Leitsatz der zygotischen Position, die vertreten wird durch die katholische Kirche und Teile der evangelischen Kirchen. Sie gehen davon aus, dass im Moment der erfolgreichen Befruchtung bzw. der Vereinigung der Vorkerne, Gott die Seele hinzufügt. Etwas anders argumentieren Hinduismus und Buddhismus: Für sie ist der Moment der Befruchtung der Moment der Reinkarnation.

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Die ethischen Konsequenzen, die sich aus dieser Art die zygotische Position zu vertreten, ergeben, liegen auf der Hand. In der christlichen Variante: Da die Seele ein zentrales, wenn nicht gar das entscheidende Element ist, das einen Menschen zum Menschen macht und zugleich die Seele eine Gabe Gottes ist, ist es nur naheliegend zu sagen, dass eine Abtreibung ebenso ethisch verwerflich ist, wie etwa die Forschung an Embryonen. In der hinduistisch-buddhistischen Variante: Da im Moment der erfolgreichen Verschmelzung die Reinkarnation stattfindet, ist es absolut verwerflich, diesem neuen Lebewesen, dass sich sein Dasein als Mensch aufgrund seines vergangenen Lebens verdient hat, die Chance zu nehmen seine Lebensaufgabe zu erfüllen. Auch hier sind somit Abtreibung und Forschung an Embryonen ein Vergehen gegen den Glauben.

Die zygotische Position hat aber nicht nur Anhänger in den genannten Religionen, sie wird auch von Denkern vertreten, die rein naturwissenschaftlich argumentieren. Jene verweisen darauf, dass sowohl die Eizelle der Frau, als auch die Samenzelle des Mannes, allein, für sich genommen, genetisch besehen nichts Neues und auch auf Dauer weder lebens- noch eigenständig entwicklungsfähig ist. Ganz im Unterschied zur Zygote, die selbst lebt und sich aus eigener Kraft weiter entwickelt. Sie ist zudem aus genetischer Sicht eine höchst individuelle, einzigartige Vermischung der Gene der Eltern.

Ja man muss, gerade angesichts der Erkenntnisse der modernen Forschung, festhalten, dass ab dem Moment der erfolgreichen Verschmelzung der Zellkerne nicht nur die Biologie, sondern auch wesentliche Züge der Person schon angelegt sind. Diese Anlagen entwickeln sich – natürlich beeinflusst durch Umweltfaktoren – kontinuierlich weiter. Dies gilt etwa für die Gesichtszüge ebenso wie für die Intelligenz. Beide sind im Embryonalstadium noch nicht sichtbar und nachweisbar, aber sie entwickeln sich aus den von Anfang an vorhandenen genetischen Anlagen und das zwangsläufig, ohne dass von außen noch ein entscheidender Impuls bzw. Beitrag hinzukommen müsste. Insofern sind Festlegungen wie „menschliches Leben beginnt mit der Anlage der Großhirnrinde“ aus der Sicht von Vertretern der zygotischen Position völlig willkürlich.

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Der zygotischen Position hat sich in gewisser Weise auch die deutsche Gesetzgebung angeschlossen. So ist nach deutschem Recht die befruchtete Eizelle Träger der Grundrechte. Embryonenforschung ist deshalb in Deutschland verboten. Hier schützt der Gesetzgeber insbesondere Embryonen, die nicht für eine künstliche Befruchtung verwendet werden, sondern für die Forschung. Dass die Zygoten und Embryonen Träger von Grundrechten sind, heißt aber nicht, dass diese im deutschen Recht absolut geschützt sind. Insbesondere im Fall einer Abtreibung überwiegen unter bestimmten Voraussetzungen die Rechte der Mutter die des Embryos.

Zuletzt eine Ausnahme: So sehr die zygotische Position die Kontinuität der Entwicklung betont und damit feststellt und festsetzt, dass eine menschliche Person im Moment der Vereinigung der Vorkerne entsteht, so sehr gilt auch: Eine Zygote, die aus sich heraus nicht im Stande ist, die Geburtsreife zu erreichen, weil sie mit dem Leben unvereinbare Fehlentwicklungen ausweist, ist kein menschliches Leben.